Man kann es lesen und es läuft derzeit in den Münchner Kammerspielen: „Hochdeutschland“ von Alexander Schimmelbusch. Zum Buch: Rüde und frech geschrieben, eine politische Utopie, keine schöne Literatur, ein verrücktes Gedankenspiel. So kann man es vielleicht beschreiben.
Meine Bewertung des Buches (1 – 10): (5)
Man kann lachen und merkt, dass es eigentlich einen wichtigen Gedanken enthält. Literarisch ist es wahrlich nicht besonders, daher gebe ich nur fünf Punkte.
Es geht um einen steinreichen Investmentbanker, Victor, der in Frankfurt lebt, letztlich – nachdem er wieder einmal bei Vapiano gegessen hat – seinen Beruf hinschmeißt und eine politische Idee entwickelt, die gegen die sich immer mehr vergrößernde Wohlstandsschere gerichtet ist.

Alexander Schimmelbusch selbst war fünf Jahre lang Investmentbanker. Er kennt die Szene bestens. Und er wird in seiner Schilderung kaum übertreiben. Ich kenne auch einen Investmentbanker, der sich nach wenigen Jahren harter Arbeit in einer Frankfurter Investmentbank auf einen wunderschönen, wahrscheinlich millionenschweren riesigen Bauernhof am Tegernsee zurückziehen konnte. Schön für ihn! Bestens renoviert, edel ….
Treffende Sätze aus dem Roman „Hochdeutschland“ sind etwa:
„Es war ein altes System, das durch zu viele Hände gegangen war, das immer wieder repariert und modifiziert worden war und nach den Tuningmaßnahmen durch den Neoliberalismus nicht mehr als Volkswagen, sondern als Zuhälter-Mercedes mit Diffusor und Flügeltüren daherkam.
Victor bezog sich auf den Neoliberalismus im umgangssprachlichen Sinne, also auf die radikale Heilslehre von der Entsolidarisierung, die in den letzten zwei Jahrzehnten lustvoll einen tiefen Keil in die Gesellschaften des Westens getrieben hatte.“
Alexander Schimmelbuschs Idee: Vermögensobergrenze für Reiche, volles Leistungsprinzip, aber dann Wohlstand für alle durch eine „unternehmerische Regierung“, die Deutschlands Position auf dem Weltmarkt sichert. In gewisser Weise ein Chinamodell: Der Staat schützt den unternehmerischen Erfolg Deutschlands weltweit durch Staatsbeteiligungen, der Staat muss sich um die Zukunft kümmern. So auch schon der letzte „Deal“ von Victor, sein Treffen mit dem Finanzminister. Die Idee entwickelt sich dann zur politischen Partei, die sogar die Regierung stellt. Usw.
Amüsant geschrieben, voll beladen mit Klischees (die aber irgendwie wahrscheinlich auch alle zutreffen), natürlich nicht politisch voll durchdacht. Allein die Vermögensobergrenze von € 25 Mio. ist ja letztlich völlig illusorisch.
Dem Buch entsprechend ist die Inszenierung an den Kammerspielen „aus Schaum gemacht“. Siehe das Bild oben. Die SchauspielerInnen waten in einer tiefen Schaummasse, die über die Bühne verteilt ist. Schauspielerisch keine Glanzleistung, es ist eher eine rednerische Erzählung des Buches, Erzählung eines Teils des Buches, abwechselnd durch die fünf SchauspielerInnen. Kaum Interaktionen.
Den Kern des Buches verstehe ich aber gut: Er hat etwas sehr Realistisches: Einerseits soll Deutschland weiterhin auf dem Weltmarkt eine Rolle spielen, damit unser Wohlstand weiterhin gesichert ist. Andererseits geht es unbedingt um das soziale Denken in Deutschland. Die Reichen müssen nicht noch reicher werden. Es geht um die, die NICHT reich sind. Usw. Insoweit lesenswert, ansehenswert.
HIER der link zur Seite des Stückes an den Münchner Kammerspielen, mit Video und vielen Fotoaufnahmen.
HIER der link zur Seite des Buches beim Rowohlt Verlag.
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