Es läuft seit Kurzem an den Münchner Kammerspielen, man liest begeisterte Kommentare. Ist auch oft ausverkauft. Meins war es nicht! Der alte „König Lear“ von William Shakespeare, Textbearbeitung von Thomas Melle, Inszenierung von Stefan Pucher.
Premiere am 28.09.2019, ich werde es noch ein zweites Mal ansehen. Eine zweite Chance. Für mich war es bisher – kurz gesagt – eher eine modernisierte „König Lear Klamaukfassung“. Es mögen ernsthafte Überlegungen hinter der Textfassung von Thomas Melle stehen: Femininismus etwa. Für mich wurden sie zu wenig pointiert (das Programmheft erwähnt Einiges). Es geht aber nicht darum, alles ernst zu sehen, auf keinen Fall. Ich mag es einfach schlichter. Aber so sind unsere Zeiten: Alles schnell schnell, alles bunt dargestellt, viel Brimborium, bloß nicht schlicht.
Allerdings: Es liegt auch an der inhaltlich im Grunde schon fürchterlich aufgeladenen Story von William Shakespeares König Lear. Auch Thomas Melles inhaltliche Veränderungen helfen da wenig. Entschlackt hat er es inhaltlich kaum. Aber für mich ist es eben eher Klamauk, etwa die Shakespearefigur „Tom of Bedlar“, der Bettler, als der sich der verfolgte Edgar ausgibt. Bei Stefan Pucher schwebt er als „Major Tom“ aus dem Bühnenhimmel herab, mit E-Gitarre. Naja.
Für mich ist es generell fraglich, warum man sich König Lear überhaupt noch ansieht – die „Tragödie“ von William Shakespeare über den alten König Lear, der sich zurückziehen will. Es geht ja zurück auf eine uralte englische Sage über „King Leir“, einen britischen König aus der vorrömischen (!) Zeit.
Zum Inhalt der Tragödie: Es sind zwei Handlungsstränge.
Erster Handlungsstrang: König Lear will sich zurückziehen, das Land auf seine drei Töchter aufteilen. Die beiden älteren Töchter erfüllen den Wunsch des Königs nach Liebesbezeugung. Die Jüngste, Cordelia, verweigert sich – ich sage mal – herumzuschleimen. Sie bekommt nichts, die anderen beiden bekommen alles. Cordelia wird nach Frankreich verheiratet.
Dann gibt es den zweiten Handlungsstrang: Graf Gloucester – bei Thomas Melle Gräfin Gloucester, gespielt von Wiebke Puls. Sie hat den ehelichen Sohn Edgar und den unehelichen Sohn Edmund (ich merke es mir so, dass das „un“ im Namen Edmund für „un“ehelich steht). Edmund – bei Pucher gespielt von Thomas Hauser – will Edgar – bei Pucher gespielt von Christian Löber – ausbooten: Er verfasst einen Brief, angeblich von Edgar, wonach dieser seinen Vater – bei Pucher eben seine Mutter – entmündigen will, und Edmund veranlasst Edgar sogar, zu fliehen. Klare Sache, der ist doch schuldig.
Dann geht es aber erst los mit den Verstrickungen in der Shakespearefassung. Die Handlungsstränge verschlingen sich, Gloucester etwa verteidigt King Lear gegenüber den beiden älteren Töchtern. Und genau da frage ich mich: Warum schaue ich mir das an? Klar, das Thema des immer verworrener werdenden Vaters – bei Pucher gespielt von Thomas Schmauser – oder: Das Thema des Vaters, der nicht loslassen kann und über den sich die Nachkommen nur noch aufregen. Aber sonst? Feminismus wird, wie gesagt, zum Thema, lese ich im Programmheft, ich habe es kaum bemerkt.
Schauspielerisch:
Mal wieder eine „Ensemblearbeit“, wie es ja lange Zeit in München die große Schar der gediegeneren Münchner Theaterfreunde gefordert hatte, lange Zeit unterstützt vor allem von der Süddeutschen Zeitung. Schön fand ich daran Eines: Das Duo Samouil Stoyanov und Thomas Schmauser zusammen auf der Bühne. Beide zusammen strahlen einen herrlich verrückten Wahnsinn aus, siehe das Bild oben, gerade durch ihr gemeinsames Auftreten.
Samouil Stoyanov ist ein Kammerspiele-Hase. Von ihm kennt man es: Er kann – unter anderem – wunderbar Rollen spielen, die irgendwann im Verlaufe eines Stückes ausrasten. Dann wird er laut und deutlich! Etwa im Kirschgarten. Und Thomas Schmauser: Er ist ja wieder zurück an den Kammerspielen, war zwei Jahre lang am Residenztheater. Er ist zwar nicht im Alter eines alten König Lear, aber dennoch: Er spielt auch bei König Lear wieder einmal überzeugend! Da ist allerdings die Rolle schon sehr auf zunehmenden Wahnsinn angelegt. Beide zusammen jedenfalls, herrlich, das wäre es einmal: Ein Abend die beiden alleine in Becketts „Endspiel“!
Die Inszenierung:
Wie gesagt, sie war nicht Meins. Eine Drehbühne, ein zweistöckiges barackenähnliches Gebilde darauf, ein Neonschriftzug auf der Baracke („The End“), Videoeinspielungen aus dem Hintergrund. Genau das könnte man bei fast allen Inszenierungen von Frank Castorf sagen. Also nicht gerade irgendwie überraschend. Im Hintergrund etwas von Himmel oder Weltall. Allerdings: Ich mag im Grunde ja Videoeinspielungen ganz gerne, man erlebt die SchauspielerInnen dann so hautnah und intensiv.
Ich werde es noch einmal sehen, mal sehen, was mir noch auffällt.
Copyright Beitragsbild: Arno Declair
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