Es kommt nicht oft vor, dass man sich im Theater ein Stück dreimal ansieht. Es kommt aber auch nicht oft vor, dass das Stück selbst dann fast 10 Stunden dauert. So ist es aber bei der Inszenierung „Dionysos Stadt“ von Christopher Rüping. Dreimal, jeweils fast 10 Stunden! Das dritte Mal habe ich es jetzt – es läuft in den Münchner Kammerspielen – mit Familie zwischen den Jahren gesehen.
HIER ein Trailer zur Inszenierung. Und HIER der link zur Stückeseite auf der Website der Münchner Kammerspiele.
Ich meine: Wenn man zum Einen irgendwie einen Bezug zu Antike finden will, sollte man es sich ansehen. Es geht andererseits natürlich nicht nur darum, etwas zu lernen, nein. Man kann eher sagen: Es ist einfach ein vollkommen gelungenes Theaterprojekt.
In vier völlig unterschiedlichen Darstellungsformen erlebt man wesentliches Geschehen der Antike. Mythologie und Familientragödie. Es kommt derzeit weiterhin monatlich an jeweils einem Wochenende, Samstags und Sonntags. Auch Anfang Januar wieder.
Über die Premiere hatte ich ja bereits berichtet. HIER mein damaliger Beitrag.
Es ist jedes Mal dasselbe: Keine einzelne Sekunde ist langweilig oder schleppt sich hin. Aufgebaut ist die Inszenierung wie auf den antiken dionysischen Feiern: Drei „ernsten“ Teilen folgt zum Abschluss ein vierter, „heiterer“ Teil. Jeder Teil ist eine völlig eigenständige Inszenierung, nichts wiederholt sich, nichts zieht sich.
Teil 1:
Die Entstehung der menschlichen Zivilisation. Prometheus, der Menschenfreund, schafft es, den Menschen im Streit mit Zeus das Feuer zu geben. Die Vorgeschichte, die im Stück garnicht vorkommt, sieht so aus: Zeus war ziemlich sauer. Prometheus wollte ihn austricksen. Und Zeus sagte sich dann: Feuer kriegen die Menschen nicht! Die Menschen lebten in Höhlen.
Aber Prometheus schnappte sich ein bisschen Glut und brachte sie – in einer Riesenfenchel – den Menschen. Und mit dem Feuer begann alles. Menschliche Zivilisation konnte sich entwickeln. Auch wenn Zeus – das war Teil der Inszenierung – immer wieder fragte: „Warum? Why? Sie werden Bomben bauen!“ Prometheus glaubte aber an die Menschen.
Kombiniert wird diese mythologische Geschichte der Entstehung der menschlichen Zivilisation dann mit einer der zahlreichen Liebesaffären von Zeus. Zeus liebte Io, allerdings bemerkte es Hera, die Ehefrau des Zeus, und griff immer wieder ein. Zeus verwandelt Io zunächst – nichts einfacher als das – in eine Kuh, um die Affäre zu vertuschen. Zuletzt musste Io aber in Gestalt dieser Kuh über das Meer fliehen. Daher das Ionische Meer und der Bosporus (bos heißt griechisch Rind). Denn Hera schickte ständig eine lästige und schmerzhafte Stechmücke, eine Rinderdassel, hinter ihr her.
HIER ein kleines Schaubild über die Zusammenhänge aus Teil 1. Gut sehen kann man alles nur, wenn man Word auf dem Gerät hat.
Teil 2:
Teil 2 der Inszenierung ist der zehnjährige Krieg um Troja, den die Götter kräftig mitbeeinflusst haben. Die Armada der griechischen Schiffe, die Kämpfe zwischen Hektor und Achill, die Troerinnen, die Eingriffe der Götter in die Kämpfe, die Zerstörung Trojas (siehe dazu das obige Beitragsbild). Begleitet war es von Schlagzeugeinsätzen von Matze Pröllochs. Andromache, die Frau des Trojaners Hector, musste am Ende ihr Kind, ein Säugling, Astyanax, den Griechen geben, die es dann von der Stadtmauer – oder einem Turm – herunterfallen ließen, damit kein Trojaner je Troja wieder aufbaut. Hat ja gewirkt.
Teil 3:
Agamemnon kommt nach den zehn Jahren des trojanischen Krieges zu Klytaimnestra zurück, seiner Frau, und die Familientragödien beginnen. Ich kann dazu nicht alle Einzelheiten erzählen. Die – von den Göttern erstmals weitestgehend unbeeinflusste – Familientragödie um Orest und Elektra ist es, die „Orestie“. Orest und Elektra, die beiden Kinder des Agamemnon.
HIER ein Schaubild über die Zusammenhänge aus Teil 2 und Teil 3. Auch hier gilt: Gut sehen kann man auf diesem Schaubild alles nur, wenn man Word auf dem Gerät hat. Das Schaubild sieht schon etwas komplizierter aus, man sollte sich ein bisschen auskennen. Ich habe es in ähnlicher Form einmal beim Lesen des absolut empfehlenswerten Romans „Kassandra“ von Christa Wolf entworfen.
Teil 4:
Fußball und Zinedine Zidane. Ein lockerer Ausklang, in dem man immer wieder Momente findet, in denen etwas Göttliches in der Luft zu liegen scheint. Wenn etwa einzelne SchauspielerInnen plötzlich einfach stehen bleiben und in den Himmel schauen. Oder wenn es um Zinedine Zidane geht.
Nun, dass es mir auch beim dritten Mal sehr gefallen hat, brauche ich wahrscheinlich nicht zu sagen.
Ich wünsche allen Lesern ein gutes neues Jahr!
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