Ich kannte ihn nicht und habe ihn noch nicht gelesen. Sasha Marianna Salzmanns Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“. Eigentlich ist es immer schön, einen Roman gelesen zu haben, wenn man im Theater seine Bühnenadaptation sieht. Ich werde ihn nachträglich lesen und das Theaterstück noch einmal ansehen, vielleicht dann noch einmal darüber schreiben. Erst dann hat man doch die Chance, die Umsetzung des Romans auf der Theaterbühne genauer zu erkennen, dann erkennt man die Arbeit des Regisseurs, des Ensembles, des Teams.
HIER aber schon einmal eine sehr informative Besprechung des 2021 erschienenen Romans aus dem Literaturclub des schweizerischen SRG (Zürich), ein gelungener Einstieg in das Buch und das Thema, vor allem zu Beginn der Besprechung, durch die Moderatorin Nicola Steiner.
Man hört immer, es gehe hier um „das Verhältnis der Töchter zu ihren Müttern (und umgekehrt) in Umbruchszeiten“. Im Roman – und entsprechend in der Inszenierung – laufen in der Tat verschiedene Zeitepochen ab. Die Zeiten vor dem Zusammenbruch des Kommunismus bis hinein zur Zeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Natürlich wissen die jüngeren Generationen überhaupt nicht, wie das Leben der älteren Generation VOR dem Umbruch war und wie sich diese, als sie den Umbruch miterlebten, gefühlt hatten. Weiß ich denn, wie sich meine Eltern während des Zweiten Weltkrieges und in den vielen Jahren danach gefühlt haben? Wie sie ihr Leben empfanden, wie sie die riesigen Umbrüche der Zeiten VOR, IM und NACH dem Zweiten Weltkrieg erlebt hatten? Man weiß es ja im Grunde nie. Ich würde das Thema des fehlenden Verständnisses der Generationen nicht einmal auf Umbruchszeiten begrenzen. Dennoch, das ist das Thema bei Sasha Marianna Salzmann.
Auch Sasha Marianna Salzmann, die Autorin des Romans, kannte ich noch nicht. Sie war Hausautorin am Maxim-Gorki-Theater Berlin und leitete dort von 2013 bis 2015 die Studiobühne. Der Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ ist ihr zweiter Roman, er stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2021. Ihr erste Roman stand sogar auf der Shortlist.
Der Roman wurde sogar schon mehrfach auf die Bühne gebracht. Etwa in Hamburg beim Thalia Theater (dort noch zu sehen am 28. Oktober und am 01. Dezember, HIER der Link zur Stückeseite beim Thalia-Theater mit Trailer) oder in Magdeburg und Nürnberg.
Der Roman hat starke autobiografische Züge. Marianna Salzmann wuchs in Moskau auf. Im Alter von zehn Jahren emigrierte sie (1995) mit ihrer Familie als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland.
Zur Inszenierung des Romans an den Münchner Kammerspielen:
Jan Bosse, Regisseur des Stückes, experimentiert wieder nicht viel herum, er bringt gerne „klassische“ Ensemblearbeiten auf die Bühne, meist eng angelehnt an die Buchvorlage. So war es bei seiner Inszenierung „Effingers“ vor zwei Jahren und so ist es sicher auch hier. Das Bühnenbild, die Kostümierung, die Personen, sehr getreu gehalten an der Buchvorlage, rein realistisch, fast dokumentarisch. Man folgt in diesem sehr realistischen „Rahmen“ über etwas mehr als drei Stunden in mehreren Zeitsprüngen vor und zurück den Personen. Mütter, Töchter, ihre Männer. Im Zentrum steht Lena, wie immer überzeugend gespielt von Wiebke Puls. sie wächst im Kommunismus in der Ukraine auf und lebt später nach der Wende in Deutschland. Wiebke Puls spielt dementsprechend in Zeitsprüngen, mal als Jugendliche, meist als 50-jährige oder bis dahin. Sie war ausgebildet als Ärztin, in ihrem neuen Leben im Westen arbeitet sie als Krankenschwester. Auch schon ein Thema für sich!
„Mittelpunkt“ kann man andererseits kaum sagen. Das ist vielleicht ein Kennzeichen des Abends: Man folgt der Gruppe der Menschen, wie sie in dieser Zeitspanne miteinander umgeht. Man folgt nicht besonders einer dieser Personen! Man könnte auch sagen: Gerade die beiden Personen, die im Stück so gut wie NICHTS sagen, alles auf der Bühne nur stumm beobachten, stehen irgendwie im Mittelpunkt: Die Großmutter (Lisa-Katrina Mayer) und die Enkelin (Maren Solty).
Mein Eindruck: Es ist ein „bunter“ Abend, bei dem der Kern des Themas alles bestimmen soll, aber fast etwas untergeht. Das mag am Roman liegen. Es blieb ein bisschen das Gefühl, dass zwar die Geschichte des Buches erzählt wird, aber das Thema nicht greifbar genug verdeutlicht wird, es nicht präzise genug angepackt wird. Muss es auch nicht, so ist vielleicht auch das Buch, und so ist es an diesem Abend eben eine sehr personenbezogene Erzählung über das Leben der Personen dreier Generationen, der Frauen vor allem, auf der Bühne der Münchner Kammerspiele. Eine ähnliche Herangehensweise hat Julian Bosse ja auch schon bei seinem letzten Stück an den Münchner Kammerspielen den Effingers, gewählt.
Auffallend insoweit allenfalls: Die Ankündigung des Stückes auf der Website der Münchner Kammerspiele (HIER der Link zur Stückeseite), die meines Erachtens manches nicht richtig trifft: Zwar spielt etwa das Ensemble für kurze Zeit an Instrumenten, ich würde es aber deswegen nicht gleich so nennen, wie man es auf der Website der Kammerspiele liest:„Eine musikalische Theaterzeitreise mit dem Ensemble als Liveband.“ Auch eine weitere Aussage trifft es meines Erachtens nicht ganz: „Das Stück führt uns ins Herz der Umbruchzeit und weiter zu der Frage, ob wir heute nicht wieder eine Zeitenwende erleben.“ Und ähnliches, was m. E. den Punkt nicht ganz trifft.
Es bleibt aber eine schöne Ensemblearbeit, ein eher herkömmliches Theatererlebnis, das Buch sollte man vielleicht dazu lesen. Es tut auch immer gut, die Schauspielerinnen und Schauspieler der Kammerspiele zu erleben! Wiebke Puls, Edmund Telgenkämper, oft wunderbar! Auch andere. Theater brauchen Identifikationsfiguren!
Copyright des Beitragsbildes: Armin Smailovic
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