Heute, Samstag, den 30. September, morgen, Sonntag, den 1. Oktober, und Dienstag, den 3. Oktober, ist er noch zu sehen an den Münchner Kammerspielen. Ein begeistert aufgenommener Abend des in Chile sehr bekannten Regisseurs Marco Layera, den er zusammen mit sieben jungen Menschen zusammen gestaltet hat.
Es ist eine Folgeinszenierung des Regisseurs nach seinem vor fast drei Jahren ebenfalls sehr erfolgreichen Stück über das Schicksal von Mädchen und Frauen. Thema war damals das chilenische Abtreibungsverbot. Hier in München – es gab auch Aufführungen im September auf der Ruhrtriennale – geht es nun um das Schicksal von Jungs im Alter von 13-18 Jahren.
Es gibt sicherlich speziell den chilenischen Hintergrund, der noch patriarchalischer/machohafter ist als unser europäischer Hintergrund. Dennoch: Das Stück betrifft unsere westliche Welt insgesamt! Die Sicht sieben junger, für ihr Alter sehr gut spielender chilenischer Jungs, die mit diesem immer authentisch wirkenden Abend versuchen, aus der ihnen aufgezwungenen Welt der Männlichkeit auszubrechen. Immer wieder schildern Sie – vor allem im ersten Teil des Abends – die Tatsache, dass ihnen (besser: Jungs insgesamt) von Geburt an anerzogen wird, männlich zu sein, keine Gefühle zu zeigen, nicht zu weinen, sich durchzusetzen, zu gewinnen, nicht zu lange kindlich zu sein, mit Waffen umzugehen, Plastikwaffen, die immer schwerer werden, und und und, das ist die männliche Welt.
Sie, die hier so sympathischen sieben Jungs, die nach einem langen Casting in Chile zusammenkamen, setzen in diesem Stück dieser Welt ein Ende. Ein märchenhafter, auch revolutionär gedachter, aber sehr schöner und meines Erachtens wertvoller Gedanke, der hier aufgegriffen wird. Es ist unter anderem auch ein tief berechtigter Gedanke gegen die Zerstörung der Umwelt. Überzeugend ist der Abend vor allem auch deswegen, weil es ein Abend von so jungen Menschen ist, die insgesamt so authentisch sind. Sie wollen Schluss machen mit ihrer männlichen Welt, die Ihnen anerzogen worden ist. Es geht auch anders, es hat viel mit Respekt zu tun, der offenbar in Chile schon am Schulhof oft fehlt, so ihre Darstellung. Oder: Wenn die Mutter mit dem Schüler zum Rektor muss, weil der Schüler lange Haare trägt. Oder: Wenn sexuell von der Norm abweichende Orientierungen auf die unnachgiebige „männliche“ Welt treffen.
Das Stück bringt das Thema der so tief in uns sitzenden Männlichkeit unserer Gesellschaft in einer Art und Weise auf die Bühne, die an Milo Rau denken lässt. Sehr direkt, in deutlicher Ansprache des Publikums, einseitig, dokumentarisch erzählend, weniger künstlerisch gestaltend, genau auf das jeweilige Thema zugespitzt, fast provozierend – das sind die bekannten Methoden des Milo Rau. Der Abend von Marco Layera ist in dieser Hinsicht professionell gemacht, ähnlich Milo Rau, es ist aber nicht nur die Art und Weise der Herangehensweise, die an Milo Rau denken lässt. Die Jungs, die Szenen, die Musik, es passte gut. Ein gelungener Abend, der am Ende mit Standing Ovations in der Therese-Giese-Halle hinter dem Schauspielhaus gefeiert wurde.
Milo Rau wird ja kritisiert und gefeiert für seine vielleicht oft zu messianische Herangehensweise an seine Themen. Er sagt ja: „Wir leben nicht in einer Zeit des zivilen Gehorsams, sondern des zivilen Ungehorsam“ und er bringt das allein schon durch die Auswahl seiner Themen oft zum Ausdruck. Es gibt gerade ein neues Buch von Milo Rau, in dem er anscheinend überaus deutlich seine Sicht der Dinge klarstellt: HIER eine sehr begeisterte Besprechung des Buches – das Buch mit dem Titel „Die Rückeroberung der Zukunft“, basierend auf der Poetikvorlesung „Warum Kunst?“, die Milo Rau im November 2022 im Literaturhaus und im Kunsthaus Zürich hielt.
Viel kritischer ist dagegen die Besprechung des Buches in der Süddeutschen Zeitung (Peter Laudenbach) vom 27. September HIER, die online leider nicht ohne speziellen Abo-Zugang zur Verfügung steht. Peter Laudenbach wirft Milo Rau in gewisser Weise Schwarz/Weißmalerei vor, die nicht weiterhelfe, sondern gute Diskussionskultur fast zerstöre. Natürlich kann, wer will, auch den Abend von Marco Layera ein wenig in diese Ecke schieben. Der Abend ist allerdings nicht vorwurfsvoll, sondern er reißt romantisch oder revolutionär die „männliche“ Mauer (die in Chile wohl noch mehr besteht) ein, einer der Jungs entschuldigt sich dafür geradezu am Ende!
HIER eine Besprechung des Buches von Milo Rau aus der ZEIT online. Ich hoffe, ich kann das Buch auch noch lesen.
Wie gesagt, der Abend an den Münchner Kammerspielen geht in die Richtung von Milo Rau, sehr gut gestaltet, sehr gut gespielt, fast dokumentarisch, etwas romantisch, aber sehenswert.
HIER der Link zur Stückeseite auf der Website der Münchner Kammerspiele.
Hier die klasse Jungs:

Copyright der Fotos: La re-sentida
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