Die gesamte Münchner – oder gar über München hinaus – Theaterszene schien anwesend zu sein. Der Intendant des Münchner Residenztheaters Andreas Beck – seine Stellvertreterin Ingrid Trobitz – bekannte aktuelle und ehemalige Gesichter der Münchner Kammerspiele – bekannte Gesichter der Kritikerszene – bekannte zuschauende Dauerfreunde der Münchner Theaterwelt und und und.
Der riesige Zuschauerraum von Bühne 1 des Münchner Volkstheaters war fast ausverkauft, wie Christian Stückl bei seinen einführenden Worten zur Eröffnung des Festivals „Radikal jung“ 2023 in „seinem“ Theaterhaus erklärte. Hier:

Es war wie ein zweites Theatertreffen. Ob dies dem gerade im 5. Jahr eröffneten Festival „Radikal jung“ galt oder speziell der Darbietung der Inszenierung von „Zwiegespräch“, kann ich nicht beurteilen. Die Inszenierung von „Zwiegespräch“, dem aktuellen kleinen Gesprächsroman von Peter Handke, sie mag ein besonderer Lockvogel gewesen sein. Es ist die am Burgtheater Wien zu sehende Inszenierung der jungen Regisseurin Rieke Suesskow, die als eine der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen des letzten Jahres zum Theatertreffen 2023 nach Berlin eingeladen ist. Eine seltene Gelegenheit, die Inszenierung in München zu sehen. Rieke Suesskow hier:

Es war/ist die erste Arbeit der 33jährigen Regisseurin am Burgtheater Wien.
Das gibt auch eine Antwort auf die Frage, warum das Stück „Zwiegespräch“ gar Teil des Festivals „Radikal jung“ geworden ist. In Peter Handkes aktuellem Roman „Zwiegespräch“ geht es doch um ein Gespräch zweier alter Männer – nicht gerade „radikal jung“! Die Antwort ist: Die junge Regisseurin! Dem Festival geht es um „junge Talente im Bereich der Theaterregie“! Eine zweite Antwort ist vielleicht auch noch: Die Inszenierung von Rieke Suesskow stellt den Kontrast zwischen jung und alt viel viel deutlicher dar, als es der Roman selbst tut. Der Text des Romans (man sollte ihn zweimal lesen!) wird damit nicht verändert, geschickt kommt aber das Thema „jung und alt“ viel deutlicher und prägender auf die Bühne.
Hier ein Foto von der Aufführung, das das Bühnenbild von „Zwiegespräch“ zeigt (Copyright Susanne Hassler-Smith, Burgtheater). Es ist ein Bühnenbild von Mirjam Stängl, die genau dafür am diesjährigen Berliner Theatertreffen 2023 vom langjährigen Medienpartner des Theatertreffen, 3sat, die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung für das beste Bühnenbild erhalten wird.

Ziehharmonikagleich zieht sich zu Beginn der Aufführung minutenlang ganz langsam dieser riesige Paravent über die ganze Bühne, spannt sich auf wie das Leben. Er teilt die Bühne in zwei Hälften, links die Alten (auch die werden im Laufe des Stückes immer weniger), rechts die Jungen. Stück für Stück verschiebt sich die Unterteilung im Laufe der Aufführung, der Raum für die Alten wird immer kleiner.
Sehr treffend fasst das Programmheft zu „Zwiegespräch“ die Gedanken zusammen, die um den kurzen Roman von Peter Handke kreisen (Copyright Burgtheater Wien):

Ja, in Peter Handkes Roman „Zwiegespräch“ erzählen sich die beiden Alten (auf der Bühne sind es mehr) von Erinnerungen aus ihrem Leben. Es kann auch ein einziger Alter sein, Peter Handke. Meist erzählen sie von ihren Großvätern. Meist geht es darum, dass etwas nicht erkannt werden konnte, nie richtig erkannt werden kann. Der Schein trügt immer! Das Liebespaar in der Scheune, das man nur hört, das Haus und sein Innenleben.
Die Enkelgeneration übernimmt etwas von den Alten, Verharmlostes, aber im Grunde verwaltet sie nur das Ableben der Alten. Veranstaltet Spiele, die „Reise nach Jerusalem“, bis alle Alten weg sind, ausgeschieden und gestorben sind. Das zeigt die Inszenierung von Rieke Suesskow deutlicher und sehr treffend. Auch wenn an diesem Abend Branko Samarovski offenbar seinen Text fast völlig verloren hatte. Der Souffleur wurde nach etwa einer Dreiviertelstunde fast zum Textvorsager, Branko Samarovski zum Nachsager. Schade, das war leider störend. Naja, die Alten … Entscheidend bleibt der Text des Romans „Zwiegespräch“, auch an diesem Abend.
Rieke Suesskow es in der Tat geschafft, dem unverändert gebliebenen Text von Peter Handke eine Inszenierung zu geben, die den Text wunderbar ergänzt!
HIER der Link zum Spielplan des Festivals „Radikal jung“, das also begonnen hat. HIER der Link zur offiziellen Website des Festivals „Radikal jung“.
HIER der Link zur Stückeseite von „Zwiegespräch“ auf der Website des Burgtheaters in Wien.
Copyright des Beitragsbildes: Susanne Hassler
Copyright der Bilder der Eröffnung und von Rieke Suesskow: Gabriela Neeb
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