Es geht um die Ukraine. An diesem Abend ist – leider – nicht besonders Fantasie gefragt, sondern purer Realismus. Die ukrainische Autorin Natalka Vorozhbyt hat ein Auftragswerk für die Münchner Kammerspiele geschrieben im Grunde zur Frage: Wo steht und stand die Ukraine? Wo ist die Eigenständigkeit der Ukraine?
Vier aus der Ukraine geflüchtete Frauen – dazu immer wieder Rückblicke auf die Vergangenheit der Ukraine – getragen vom Blick der UkrainerInnen auf die Anderen, mit denen sie früher und heute immer wieder im Bestreben nach Unabhängigkeit umgehen mussten beziehungsweise müssen (Russen, Europa, USA).
Die vier Frauen, an denen das aktuelle Bild aufgehängt ist: Eine geflohene einsame „Katzenfrau“ aus Tschernihiw mit einer sowjetischen Mentalität, eine Geflohene Hausfrau aus Charkiw mit drei Kindern, deren Mann an der Front kämpft und getötet wird, eine geflohene junge Nageldesignerin aus Butscha, die von Burjaten vergewaltigt wurde und der Hölle entkam, und eine geflohene Schauspielerin aus Kyjiw, die unter ständiger Beobachtung aller anderen steht, da sie nichts Schlimmes erlebt hat. Die Realität! Aber alle wollen zurück in ihre Heimat.
Ukraine und Ukrainerinnen scheinen in diesem Stück als die schon immer Getriebenen. Blicke zurück: Immer wieder wollten sich die UkrainerInnen – soweit ich es verstehe! – auf eine Seite mehrerer Beteiligter (Nazis, Russen) stellen, um sich für die Ukraine einzusetzen – es ging meistens schief und begründete Probleme bis hin zur Ermordung. Wenn sie für Unabhängigkeit und Freiheit kämpften – es ging meistens schief. Die Ukraine war immer wieder ein Spielball. Wo und wie ist das nationale Bewusstsein der UkrainerInnen?
Das historische Bild der Ukraine wird aufgehängt an drei berühmten Personen: Dem Komponist Leontowytsch (1921), dem Nationalistenführer Bandera (1959) und der Dichterin Teliha (1942), offenbar drei Schlüsselpersonen der ukrainischen Geschichte, die allesamt umgebracht wurden für Ihren Einsatz für die Ukraine.
Es ist ein politischer Abend, dargestellt im Theater. Ich bin mehr für Fantasie als Realität im Theater, Fantasie regt mich mehr an, aber gut. Daran muss man sich bei den Münchner Kammerspielen derzeit gewöhnen: Theater und Politik gemeinsam. Das Stück „Green Corridors“ erhielt jedenfalls am Ende starken Applaus, viel Applaus und meine Unterhaltungen im Anschluss an die Vorführung zeigten, dass das Stück sehr gut gefiel!
Entsprechend dem heftigen realen Bezug ist es schauspielerisch meines Erachtens eher etwas plump, weniger sensibel. Darin sollte allerdings – ich habe es nicht so erkannt – auch „schwarzer Humor“ (wie es im Programmheft heißt) stecken. Daher wohl manche Übertreibung. Auch das Bühnenbild strahlt eine gewisse Brutalität aus: Eine große Holzwand, vor der auf schmalen Streifen gespielt wird und auf die immer wieder Zeichnungen gemalt und projiziert werden. Die Holzwand kippt im Laufe des Stückes komplett zusammen.
Man erhält aber durch diesen Abend ein gewisses Verständnis für die schon lange bestehende Situation der Ukraine, getragen vom Nationalgefühl der UkrainerInnen für ihre Heimat. Es wird Einiges dransein.
Das zu diesem Thema sehr wertvolle und hilfreiche/interessante digitale Programmheft zum Stück findet sich übrigens HIER.
HIER der Link zur Stückeseite auf der Website der Münchner Kammerspiele.
Copyright des Beitragsbildes: Armin Smailovic
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