DER ROMAN: Es ist die Erzählung über einen „Hikikomori“. Unter anderem zumindest. Ich bin andererseits durch ein Theaterstück auf das Buch gekommen. Es wurde mir dazu empfohlen. DAS THEATERSTÜCK: „The Vacuum Cleaner“ von Toshiki Okada, das an den Münchner Kammerspielen läuft.
„Ich nannte ihn Krawatte“ heißt der ROMAN von Milena Michiko Flašar. Es geht, wie im THEATERSTÜCK, um einen sogenannten „Hikikomori“. „Hikikomori“ werden in Japan Menschen genannt, die sich jahrelang von der Außenwelt abkapseln und – anstatt etwa irgendwann in jungen Jahren von zu Hause auszuziehen – nurmehr in ihren vier Wänden leben. Kein Kontakt zur Außenwelt! Schluss mit Gesellschaft! Es soll etwa eine Million Hikikomori in Japan geben – wobei die Zahlen sehr schwanken.
Die INSZENIERUNG „The Vacuum Cleaner“ wiederum ist zum Theatertreffen 2020 nach Berlin eingeladen, das im Mai stattfindet. Es wurde als eine der „10 bemerkenswertesten Inszenierungen deutschsprachiger Bühnen des vergangenen Jahres“ (die sogenannte „10er-Auswahl“) nach Berlin eingeladen. Das wiederum hatte mich angesichts der unspektakulären Inszenierung übrigens etwas gewundert, aber gut! Ich schreibe hier wenig über die Inszenierung.
HIER vielmehr „nur“ der Link zur Stückeseite, auf die ich schlicht verweise. HIER noch ein Video mit der Begründung der Jury des Berliner Theatertreffens zur Auswahl von „The Vacuum Cleaner!.
Es ist jedenfalls keineswegs eine irgendwie aufwühlende Inszenierung, eher ruhig und überschaubar. So arbeitet Toshiki Okada immer wieder an gesellschaftlichen Erscheinungen aus Japan – zum vierten Mal an den Münchner Kammerspielen. Immer etwas zurückhaltend und wahrscheinlich erkennen wir nicht alle Andeutungen und Anspielungen seiner „japanisch“ leisen und natürlich japanisch vornehmen und zurückhaltenden Arbeiten.
Meine Bewertung des Romans „Ich nannte ihn Krawatte“ jedenfalls, um den es hier im Folgenden gehen soll: 6 von 10 Punkten.
Man hält ein recht schmales „Büchlein“ in der Hand. Ein Büchlein aber – sah ich – mit über einhundert ganz kurzen, kleinen Kapiteln – mal ist es eine Seite, mal sind es eineinhalb Seiten, fast nie mehr. Auch inhaltlich ist es – merkte ich dann – keineswegs nur ein „Büchlein“. Das geschilderte Geschehen ist zwar äußerst überschaubar – hauptsächlich eine Unterhaltung des Hikikomori auf einer Parkbank mit einem Herrn, den er eben „Krawatte“ nannte.
Schlicht also, es werden aber viele viele Eindrücke von beiden „Protagonisten“ erzählt, angesprochen. Zu viele für meinen Geschmack. Fast jedes der Geschehen, die so angesprochen werden, wäre für sich gesehen einen eigenen Roman wert. Es sind im Wesentlichen folgende Geschehen, die angesprochen werden und mit denen der Leser also konfrontiert wird :
- Der Hikikomori wagt sich tatsächlich von zuhause heraus! Er geht in einen Park, sitzt auf einer Bank. „Krawatte“ sitzt ihm wochenlang gegenüber.
- „Krawatte“ wiederum hat kürzlich seinen Job verloren und traut sich nicht, es seiner Frau zu gestehen, er tut so, als würde er täglich zur Arbeit gehen.
- „Krawatte“ ist – liest man dann – Vater eines behinderten Sohnes gewesen. Er verlor seinen Sohn sehr früh – als Säugling starb es schon. Davon erzählt er dem Hikikomori.
- Der Hikikomori wiederum hatte durch einen Unfall einen Freund fast verloren. Das war der Anlass für ihn, sich aus dem Leben zurückzuziehen, er wollte nicht mehr in das Leben andere „hineingezogen“ werden. Schuldgefühle und Scham.
- Weiter: Der Hikikomori war – fast noch als Kind – in das eigenwilligste Mädchen der Straße verliebt. Der Hikikomori verlor dieses Mädchen, sie beging Selbstmord, weil sie in der Schule, scheint es, gemobbt wurde.
- Und weiter: Der Hikikomori traf aus zunächst unerfindlichen Gründen „Krawatte“ nicht mehr im Park an – sieben Wochen lang , bis er erfuhr, dass „Krawatte“ genau an dem Tag, an dem er – auch auf Anraten des Hikikomori – seiner Frau vom Jobverlust erzählen wollte … und so weiter.
- „Krawattes“ Frau erzählt dem Hikikomori dann später, sie habe ….
Ich will nicht alles verraten. Soviel erfährt man jedenfalls. Puh! Ich muss gestehen: Ich dachte, es ginge in dem Roman hauptsächlich um die Gedanken eines Hikikomori. Aber es geht eher um „Krawatte“:
Es ist gut geschrieben, schön zu lesen, aber eben alles etwas viel. So viele erschütternde Ereignisse in diesem Roman! Wirklich schön sind aber die immer wieder auftauchenden, sensiblen wunderbaren Gedanken zum Leben – das Leben, was ist das schon? Das wiederum sind wohl Gedanken eines Hikikomori! Wegen dieser Gedanken lohnt es!
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