„Die Räuberinnen“ nach Friedrich Schiller von Leonie Böhm, gestern war Premiere an den Münchner Kammerspielen. Ich muss es mir noch einmal ansehen, Einzelheiten würden mich genauer interessieren, bevor ich etwas Detaillierteres dazu schreiben könnte. Hier zunächst ein paar ganz grundsätzliche Überlegungen:
Ich finde, man kann sich dessen bewusst sein, dass man wieder einmal an den Münchner Kammerspielen Stücke sieht, die besonders auffallen. Auffallen, weil man aus den üblichen Theatergewohnheiten herausgerissen ist. Das ist an den Münchner Kammerspielen in den letzten Jahren immer wieder der Fall gewesen, dennoch fällt es jetzt wieder auf:
„Die Räuberinnen“ und ein anderes Stück, das derzeit dort zu sehen ist: „Nirvanas Last“ von Damian Rebgetz, Erinnerungen an das letzte je gegebene Konzert von Nirvana vor dem Selbstmord von Curt Cobain. Diese beiden Veranstaltungen zeigen, welche Wege die Münchner Kammerspiele der Theaterkunst eröffnen. Und nicht etwa hinten in den kleineren Kammern 2 oder 3. Nein, vorne in Kammer 1!
„Die Räuberinnen“ sieht man in einer einfach abgefahrenen Inszenierung! Es „Inszenierung“ zu nennen, ist schon zuviel gesagt. Performance vielleicht eher. Es fällt mir fast schwer, es einfach zu „besprechen“. Es ist irgendwie abgefahren und berührt einen selbst thematisch durch die Leistungen der vier Schauspielerinnen. Eva Löbau, Julia Riedler, Gro Swantje Kohlhoff und Sophie Krauss.
Die SchauspielerInnen haben sicherlich intensiv an der Entstehung des Abends mitgewirkt und werden das Stück im Lauf der nächsten Monate sicherlich – hört man, ahnt man, weiß man – auch weiter entwickeln. Ich kann mir etwa nicht vorstellen, dass Leonie Böhm den Schauspielerinnen gesagt hätte: „Und jetzt zieht euch bitte aus!“ und die Schauspielerinnen gesagt hatten: „Ok, machen wir!“ Nicht bei dieser Inszenierung, es wird viel individueller – aber in der Gemeinschaft der vier – gelaufen sein.
Man sieht eben nicht die Leistung eines Regisseurs, der ein „Stück“ auf die Bühne bringt, man sieht – mehr als sonst – künstlerische und sehr ins Persönliche gehende Leistungen der mitwirkenden Schauspielerinnen. Und zwar so offen, dass Eva Löbau zu Beginn des Abends zurecht darauf hinweist, dass keine Fotoaufnahmen gemacht werden sollen. Sie offenbaren sich, sie entblößen sich, entäußern sich. Trotzdem passend, nicht überambitioniert, nicht gewollt, nicht reißerisch.
Ähnlich – nicht etwa extrem allerdings – bei „Nirvanas Last“ von Damian Rebgetz – meines Erachtens ein Kandidat für das Theatertreffen 2020 in Berlin. Die dortigen SchauspielerInnen (teils mit weiteren MusikerInnen) singen komplett das letzte je gegebene Konzert von Nirvana nach. Auch das ist nicht ein „Stück“, es ist mehr persönliche Leistung der SchauspielerInnen. Sie singen die Songs in völlig andere Art und Weise. Mit Sehgewohnheiten alter „Theaterhasen“ hat das nichts zu tun. Für junge Menschen ist es schon eher!
Und das ist schön! Kunst ändert sich! Es mag beim Theater die Tendenz geben, dass man eben immer wieder „Theater“ sehen will, gelungene „Inszenierungen“, „Klassiker“ auch. Man verfällt Gewohnheiten. Mehr wahrscheinlich, als wenn man in eine Ausstellung geht. Gut, „Die Räuberinnen“ von Leonie Böhm basiert auf einem Klassiker: „Die Räuber“ von Friedrich Schiller. Aber die Handlung des Klassikers verschwindet hier vollkommen. Der Grundgedanke, der aus „Die Räuber“ herausdestilliert wird, ist etwa: Was hält uns davon ab, nach eigenen Konzepten und Entwürfen zu leben, anstatt nach vorgegebenen Konditionen, nach gesellschaftlichen Vorgaben? Und: Wie können wir in diesem einen Leben frei sein? Es geht vor allem auch nicht nur um Individualismus, sondern Gott sei Dank um Gemeinschaft! Aber das sagt alles noch viel zu wenig. Mehr dazu versuche ich in Bälde.
Hier ein paar Links, in denen schon mehr über den Inhalt des Abends gesagt wird:
HIER der link zur außergewöhnlich gut gelungenen – mein subjektiver Eindruck – Besprechung auf http://www.nachtkritik.de (mit weiteren Fotos).
HIER der link zu einer ebenfalls guten – finde ich – kürzeren Besprechung im Deutschlandfunk Kultur.
HIER ein Gespräch mit Leonie Böhm in der Abendzeitung.
HIER die Seite zum Stück auf der Website der Münchner Kammerspiele
© des Beitragsbildes: Judith Buss
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