Es ist Antigone in Leichter Sprache. Die Leichte Sprache ist für Menschen entwickelt, die aufgrund kognitiver Einschränkungen oder aus anderen Gründen mit komplizierter Sprache, die natürlich auch im Theater herrscht, nicht zurecht kommen. Die leichte Sprache folgt ganz bestimmten Regeln. Kurze Sätze, nur Aktivsätze, nur eine Aussage pro Satz und und und und.
So werden denjenigen Menschen, die sich Leichter Sprache bedienen müssen, auch komplizierte Sachverhalte verständlich gemacht. Der Stoff der Antigone wiederum wurde dafür mit dieser Sprache an den Münchner Kammerspielen inszeniert. Sehr kompliziert ist dieser Stoff an sich nicht, die Sprache ist es aber. Die Sprache ist für Betroffene die Barriere, den Stoff in seiner Aussagekraft zu verstehen.
Heraus kam eine Inszenierung, die offenbar unter Mitwirkung vieler entwickelt wurde. Es heißt:
Von und mit: H. Bozorgnia, S. Brandes, J. Eiworth, D. Fell-Hernandez, Nele Jahnke, F. Kakoulakis, J. Kappauf, U. Liagaitė, H.-J. C. Mühlethaler, A. Leichtfuß, N. Mensah-Offei, R. Mleihi, L. Søvsø, S. Winkler
Es entstand in der Tat eine Inszenierung, wie man sie sonst selten sieht. Klare Handlungen, deutliche Sprache, immer verständliche Bilder, immer gut nachvollziehbare Gedankenführung, Sprechpausen, Gestik und und und. Man darf sich nicht sagen, die Inszenierung sei zu einfach. Sie ist zugeschnitten auf Menschen mit diesem Problem.
Man folgt besonders Johanna Kappauf (Beitragsbild) in der Rolle der Antigone und verfolgt ihre schöne Ernsthaftigkeit und Spielfreudigkeit. Sie selber mag neben Frangiskos Kakoulakis (in Vertretung für Dennis Fell-Hernandes, teilweise playback) von Leichter Sprache profitieren. Ich gehe davon aus, dass die übrigen Beteiligten Leichte Sprache im Alltag an sich nicht benötigen. Das Auftreten von Johanna Kappauf und Frangiskos Kakoulakis hatte dabei sogar, schien es, erfrischend mehr Klarheit und Einfachheit in der Aussage, als es bei den anderen Beteiligten erschien. Das zu sehen, war für mich der Effekt dieses Abends. Wenn Johanna Kappauf als Antigone Johanna Eiworth in der Rolle des Herrschers Kreon in den Arm nimmt, nimmt letztlich – nicht nur nach dem Inhalt der Antigone-Erzählung – die Klarheit die Unklarheit in die Arme (siehe das Beitragsbild). Klarheit mag eine besondere Eigenschaft von Menschen mit derartigen Beschränkungen sein.
Auch die Inszenierung selbst blieb dadurch insgesamt, möchte ich sagen, einfacher, klarer. Sehr schön ist der Abschlusssong der Inszenierung, während dessen kleine Seifenblasen auf das Publikum herabschweben. Der Song von Kae Tempest (als Spoken Word) hat zwar mit Großbritannien zu tun – kein Thema der Antigone, eher Shakespeare – er hat aber mit Liebe zu tun – dem großen Thema der Antigone. Eine schöne Abschlussstimmung für diesen insgesamt angenehm ruhigen, entschleunigten Abend!
Als etwas übertrieben empfand ich die Tatsache, dass am Ende dieses schönen Abends dann noch ein Spendenaufruf für die Türkei verlesen wurde. So wurde man kurz noch in ein anderes großes Thema hineingeworfen – das allen (bei riesiger Hilfsbereitschaft) durch all die fürchterlichen Meldungen und Nachrichten der letzten Wochen hinlänglich bekannt ist und sicher Anlass für Spendenüberlegungen war. („Haben denn die Münchner Kammerspiele auch gespendet?“ fragte mich meine Nachbarin).
Mein letzter Eindruck: Die Kostümierung schien mir zu schulmäßig gewollt, übertrieben. Weniger hätte auch dort noch Mehr bedeutet, dachte ich mir. Aber es lohnt sich wegen aller anderen Eindrücke.
HIER der Link zur Stückeseite auf der Website der Münchner Kammerspiele.
Copyright des Beitragsbildes: Judith Buss
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