Eine unglaubliche Schandtat! Ein Skandal, an dem man heute kaum mehr denkt. Unglaublich, zu was der Mensch alles fähig war und immer wieder fähig ist. Man sieht es ja derzeit in der Ukraine, an Wladimir Putin. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden weltweit Millionen Kinder verschleppt. Das ist das große Thema von “In the Name of“, das am Dienstag, 29. März, an den Münchner Kammerspielen Premiere hatte. Es wird auf der kleinsten Bühne, im Werkraum, gezeigt.
Es ist eine Arbeit von Liat Fassberg. Sie ist geboren 1985 in Jerusalem und beschäftigt sich mit Fragen der Repräsentation, der Geschichtsschreibung, der Menschenrechte. 2021 wurde sie im Rahmen des Schwerpunkts „Neue Zeit, neue Dramatik“ für „In the Name of“ an den Kammerspielen mit dem Münchner Förderpreis für deutschsprachige Dramatik ausgezeichnet. Zwei Uraufführungen über zwei Spielzeiten an den Kammerspielen gehen damit einher.
Es ist ein pur ernster und insoweit wahrlich anstrengender Abend. USA: ca. 250.000 verschleppte Kinder, United Kingdom: ca. 100.000 Kinder, Spanien: ca. 300.000 Kinder, Australien: ca. 100.000 Kinder. DDR, Belgien, Israel, Kanada und so weiter. Die Zahlen von Deutschland habe ich nicht vernommen. Aber die Deutschen haben ja genug Schandtaten begangen! Es wird ohnehin eine große Dunkelziffer geben.
„Theaterabend“ kann man den etwa 90-minütigen Abend nicht nennen. Es ist eine Mischung aus Informationsabend und Performance. Vor der Veranstaltung kann man sich eine Installation ansehen, die aus zahllosen schriftlichen Dokumenten und Auszügen über die damaligen Schandtaten besteht. Es liegen außerdem Mappen mit weiteren Informationen zu diesem Thema für die Zuschauer bereit. Gedrängte Informationen.
Insoweit lohnt sich der Besuch für den, der sich informieren und mit dem Thema auseinandersetzen möchte! Erinnerung und ernsthafte Aufarbeitung ist immer gut! Obwohl man letztlich nur mit Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit aus dem Theater geht.
Der Abend bietet künstlerisch eine sehr „sparsame“ Aufarbeitung. „Künstlerisch zu wenig“, war mein Eindruck, für dieses große Thema. Es geht im Schwerpunkt um Information. Auf der in große rote Tücher gehüllten Bühne (die ansonsten nur mit zahllosen Fetzen von Teppichauslegware belegt ist) werden die Emotionen Betroffener wiedergegeben, Kinder, Zwillingsgeschwister, Eltern, Pflegeeltern, Kirchenvertreter, Organisatoren. Mehr nicht, kann man sagen. Das Beitragsbild oben zeigt nicht das Bühnenbild.
Auch schauspielerisch bleibt es langweilig. So stellte sich für mich eine ganz andere Frage: Wo sind eigentlich die “alten Hasen“ des Ensembles der Münchner Kammerspiele? Es sind ja nicht wenige, die man seit Jahren kannte und immer gerne sah: Wiebke Puls! Gro Swantje Kohlhof! Annette Paulmann! Christian Löber! Zeynep Bosbay! Jochen Noch! Thomas Hauser! Walter Hess! Jelena Kuljic! Stefan Merki! Thomas Schmauser! Das Ensemble der Münchner Kammerspiele ist groß. Nichts gegen all die (meist jüngeren) neuen Mitglieder des Ensembles, aber eine geballte Ladung der „alten Crew“ in einer großen Inszenierung wäre auch einmal wieder etwas! Es gab annähernd Derartiges, richtig: „Effingers“ (HIER) und “Der Sprung vom Elfenbeinturm“ (HIER). Trotzdem.
Man sieht sie, die „alten Hasen“ des Ensembles, jedenfalls derzeit fast nur einzeln. Annette Paulmann und Thomas Hauser in “Heldenplatz“, Stefan Merki in “Jeeps“ etwa. Auch Edmund Telgenkämper gehört zu den “alten Hasen“. Ihn sieht man jetzt in „In the Name of“. Gut: Es muss ja „nach“ Corona alles erst wieder wachsen und entstehen. Wir werden sehen!
Es bleibt nach dem Abend die Frage: Wie kann der Mensch nur endlich einmal etwas lernen! Es geht sicherlich nur durch Konfrontation mit derartigen Themen! Eine etwas künstlerischere Annäherung an das Thema wäre aber vielleicht auch schön gewesen!
HIER die Stückeseite auf der Website der Münchner Kammerspiele.
Ein weiteres Bild:

Copyright der Bilder: Armin Smailovic
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