Ich hatte es im letzten Blogbeitrag schon erwähnt: In den Münchner Kammerspielen habe ich nun das Stück „Effingers“ gesehen. Ein Familientableau aus der Zeit 1883-1942. Ich hatte es schon im letzten Blogbeitrag erwähnt, weil ich kurz danach am Münchner Residenztheater ebenfalls ein Stück gesehen hatte, das ein großes Tableau beteiligter Personen bietet. Allerdings aus modernen Zeiten, „Unsere Zeit“ von Simon Stone. Beide Inszenierungen sind große Ensemblearbeiten.
„Effingers“ basiert auf einem Recht monströsen Buch der jüdischen Schriftstellerin Gabriele Tergit, die in der Zeit von 1894-1982 lebte. Die Inszenierung an den Münchner Kammerspielen war die „Welturaufführung“ dieses Stückes. Regie hatte Jan Bosse. Die nächsten Aufführungen von „Effingers“ sind am 1., 16. und 17. November.
Drei Generationen:
- der Bankier Emmanuel Oppner, der die Geschäfte der Geschwister Effinger finanzieren wird, und seine Frau Selma Oppner
- deren vier Kinder Theodor, Sofie, Klara und Annette
- dann Karl und Paul Effinger, die zunächst eine Schraubenfabrik gründen und später in die Automobilbranche eintauchen. Sie sind etwa im Alter der Kinder des Bankiers Oppner – also mittlere Generation – und heiraten dessen Töchter Klara und Annette
- deren Kinder wiederum, die dritte Generation, darunter etwa Lotte (Tochter von Paul Effinger und Klara Oppner) und Marianne (Tochter von Karl Effinger und Anette Oppner)
Es sind weitere Personen im Familientableau. Hier findet man den kompletten Stammbaum des gesamten Tableaus, hilfreich für den Besuch der Inszenierung:

Im Programmheft werden diejenigen Elemente genannt, die das Leben dieser drei Generationen deutlich bestimmten: „Industrialisierung, Jahrhundertwende, der 1. Weltkrieg, die beginnende Frauenbewegung, eine Pandemie, Inflation, Antisemitismus, Nationalsozialismus, Faschismus.“ Vor diesem Hintergrund wird die Familiengeschichte der Effingers aufgeblättert. Große Umbrüche.
Die Bühne ist weitgehend leer, im hinteren Teil steht eine große Plexiglaswand, auf die manchmal Fotos einzelner Personen der drei Generationen projiziert werden. Auch kleine Videos werden dort gezeigt, der obige Stammbaum wird zum Teil mit Kreide drauf geschrieben, Jahreszahlen werden drauf geschrieben. Die Familienmitglieder stellen sich immer wieder zu Gruppenfotos zusammen. All das – zusätzlich zur immer zeitgemäßen Kostümierung der Personen – gibt Orientierung. Ansonsten stehen links und rechts auf der Bühne viele Stühle, oft sitzen die Schauspieler auf diesen schmucklosen Stühlen.
Es ist ein Abend, der nicht zur Fantasie angeregt, es ist eine dokumentarische Schilderung der drei Generationen. Schade, ich bevorzuge Theaterabende, die meine Fantasie anregen. Ich vermute, dass etwas mehr an „freiem Griff“ in die Familienentwicklungen möglich gewesen wäre. Mehr Wagnis, die Charaktere zu zeigen. Weder das Thema, noch die Art der Inszenierung, auch nicht das Bühnenbild, wecken aber Fantasie. All die Elemente, die die damalige Zeit prägten, sind ja hinlänglich bekannt. Der Familienroman von Gabriele Tergit mag beeindruckend sein, es bleibt aber auf der Bühne leider eine rein dokumentarische, nüchterne Arbeit. Sie bietet kaum Gelegenheit für die Schauspieler, sich vielseitig zu zeigen. Gut, man hat die Gelegenheit, viele neue Ensemblemitglieder der Münchner Kammerspiele kennen zu lernen. Allzu viele Gelegenheiten dazu gab es ja in den letzten Jahren nicht.
Edmund Telgenkämper stach für mich heraus. Er hatte meines Erachtens sehr große Bühnenpräsenz. Dazu das Beitragsbild oben.
Fazit: Wer rein historisch an dieser Zeitspanne der riesigen gesellschaftlichen Umbrüche vor den beiden Weltkriegen interessiert ist, nicht etwa irgendwelche Bezüge zum Leben in unserer Zeit erwartet, hat hier Gelegenheit, eine entsprechende Familiengeschichte zu sehen.
HIER der Link zur Stückeseite auf der Website der Münchner Kammerspiele.
Copyright des Beitragsbildes: Armin Smailovic
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