Kämpfen war in den letzten Wochen – mit verschiedenen Schwerpunkten – das Motto an den Münchner Kammerspielen: Es geht uns ja eigentlich täglich um einen Kampf – den Kampf gegen große und kleine Widrigkeiten, den täglichen Kampf der Selbstbehauptung.
Es begann mit dem kleinen Festival „Friendly Confrontations“, vor etwa zwei Wochen. Man konnte unter anderem einen dokumentarischen Film sehen, in dem gezeigt wurde, wie Boxsportler des TSV 1860 München in ein Trainingslager nach Ghana fuhren. Danach konnte man einen Abend lang Boxduelle verschiedener Gewichtsklassen zwischen Boxsportlern des TSV 1860 München und denjenigen einer ghanaischen Auswahl – wohl der Nationalmannschaft – ansehen. Richtige Boxkämpfe – im Theater, in Kammer 2 der Münchner Kammerspiele.
Dahinter stand sportliche Freundschaft zwischen Boxern verschiedener Nationen. Kampf und Freundschaft. Kampf muss nicht immer gehässig sein. Hier ein eigenhändig geschossenes Bild:

Kurze Zeit später das Bochumer Gastspiel der „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist in den Kammerspielen. Eine Inszenierung des Klassikers von Johan Simons. HIER mein Bericht dazu. Auch dort ging es um Kampf. Penthesilea muss Achill besiegen, sie liebt ihn. Und Achill liebt Penthesilea. Kampf und Liebe.
Und jetzt Premiere von Bertolt Brechts sehr frühem Stück „Im Dickicht der Städte“. Eine Inszenierung von Christopher Rüping, der mittlerweile – er war ja mehrere Jahre lang an den Münchner Kammerspielen – Hausregisseur am Schauspielhaus Zürich ist.
Noch früher hatte Bertolt Brecht „Trommeln in der Nacht“ geschrieben, das Christopher Rüping ebenfalls inszeniert hatte. Und auch jetzt wieder geht es ums Kämpfen. Man hörte immer wieder auch bei dieser Inszenierung den Gong für die Einleitung einer weiteren „Runde“. Bertolt Brecht schildert einen „Kampf“ zwischen einem Holzhändler (Shlink) und einem kleinen Angestellten einer Buchhandlung (Garga). Der Holzhändler fordert den Kampf – man weiß gar nicht warum. Des Kämpfens willen? Der Selbstbehauptung willen? Er gibt alles auf, schenkt es Garga. Alles kommt ins Wanken. Schwer zu verstehen, was Bertolt Brecht dabei dachte. Kampf und Soziales sicher auch. Auch Kampf gegen Einsamkeit, Kampf gegen Aussichtslosigkeit. Kampf jedes/r einzelnen.
Bertolt Brecht Stück ist insgesamt äußerst schwer verständlich. Ich könnte es dreimal lesen, würde es nur bruchstückhaft verstehen. Hieraus eine Inszenierung zu machen, ist erstaunlich. Christopher Rüpings Inszenierung folgt zwar dem Verlauf des von Bertolt Brecht geschriebenen Stückes. Vor allem viele soziale Aspekte aber, die Bertolt Brecht in seinem Stück brachte und die ihm wahrscheinlich wichtig waren, verschwinden bei der Inszenierung von Christopher Rüping. Rüping holt Bertolt Brecht Stück in die mittlerweile völlig veränderte Gegenwart, legt den Schwerpunkt eher auf die Isolierung jedes einzelnen Menschen.
Beginnend schon vor der Aufführung, wenn sich im Foyer des Theaters Schauspieler/innen in einer riesigen durchsichtigen Plastikkugel aufhalten und nur auf ihr Handy starren. Sie hören nichts, sehen niemanden an. Die chaotische Bühne ist nur mit Rollkisten für Requisiten vollgestellt. Das Ensemble leistet durchgehend wieder Erstaunliches in dieser sehr freien Inszenierung. Jede/r spielt jede/n, es werden verschiedene Sprachen gesprochen. Das Dickicht von Großstädten, auch so holt Christopher Rüping das Stück in die Gegenwart.
Und jeder kämpft irgendwie um Liebe, ohne zum Ziel zu gelangen, ohne auch zur Liebe fähig zu sein, ohne auf Gegenliebe zu stoßen … Schwerpunkt dieser Inszenierung: Liebe und Anerkennung, nicht – wie eher bei Brecht – Soziales. Ich habe das Stück erst im Nachhinein gelesen und werde mir die Aufführung ein weiteres Mal ansehen. Erst dann, glaube ich, kann ich mehr beurteilen. Erst dann werde ich mehr darüber schreiben können.
Es wird sich empfehlen, Bertolt Brechts Stück „Im Dickicht der Städte „ vorab gelesen zu haben, auch wenn Brecht einen wohl anderen Schwerpunkt im Auge hatte. Und auch, wenn es schwer fallen wird, Brechts Originalstück zu verstehen.
Sehen kann man diese Inszenierung im März an vier Terminen. Ein Theaterabend fürs irgendwie freie Theater, nicht klassisch, nicht umwerfend. Vielleicht auch an Bertolt Brechts Original vorbei. Aber es heißt ja auch: „Im Dickicht der Städte“ NACH Bertolt Brecht. Es hätte auch heißen können: „Im Dickicht der Städte HEUTE“
HIER der link zur Stückeseite.
Copyright des Beitragsbildes: Julian Baumann
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