Wir, immer wieder „Wir“. Was ist denn „Wir“? Es basiert doch immer auf mehreren, die sich aufgrund irgend etwas zum „Wir“ aufmachen. Es basiert im Grunde oft auf Einbildung. Elfriede Jelinek hatte 1988 zum deutschen „Wir“ den Text „Wolken.Heim“geschrieben. Der Text wurde seither immer wieder in Theatern aufgeführt. Jetzt ist eine weitere Inszenierung am Münchner Residenztheater zu sehen.
Elfriede Jelinek hatte den Text „Wolken.Heim“ knapp vor dem Fall der Mauer geschrieben. „Wir sind das Volk“ wurde dann zufällig einer der prägenden Ausrufe des Mauerfalls. Auch ein “Wir“.
Und auch ganz aktuell kommen ja viele Menschen immer wieder schnell auf ein „Wir“. Nationalismus. Es ist also durchaus ein aktuelles Thema. Auch auf ein deutsches „Wir“ kommt man. Aber nicht nur in Deutschland gibt es dieses „Wir“ der Abgrenzung. Elfriede Jelinek hatte diese Abgrenzung und besonders die Bedeutung dieses deutschen „Wir“ damals auf ihre Art untersucht. Als Außenstehende – sie ist ja Österreicherin.
In der Stückbeschreibung auf der Website des Residenztheaters heißt es: „Jelineks 1988 uraufgeführtes Erfolgsstück bietet poetische Textflächen, auf denen fünf Personen nach möglichen Antworten suchen. Jelineks Überschreibung von Texten der deutschen Idealisten Hegel, Fichte, Kleist und Hölderlin bietet die Grundlage des rätselhaften „Wir“, das hier laut wird, über sich selbst spricht und die „Anderen“.
Auch Aussagen von Heidegger und aus Briefen der RAF verwendet sie. Allerdings – wie so oft bei ihr – nicht irgendwie erkennbar. Sie verändert die Aussagen, entstellt ihren Sinn, verdreht sie teilweise.
Vorab: Wie immer bei Elfriede Jelinek: Es ist nicht leicht zu verstehen! Ich habe bislang erst zwei Inszenierungen zu ihren Texten gesehen. Eine davon im vergangenen Jahr beim Berliner Theatertreffen – „Am Königsweg“ – und davor eine an den Münchner Kammerspielen, die derzeit noch zu sehen ist: „Wut“. Ich halte es – bisher – für typisch, dass bei Elfriede Jelinek auf der Bühne sehr viel Aktion stattfindet. Viel Aktion zu schwer verständlichen, teils wirren Texten. Was die Aktion auf der Bühne angeht: Ganz anders ist es jetzt bei Wolken.Heim“ am Residenztheater – was es schwerer machte, es noch irgendwie zu verstehen.
Immer wieder gab es übrigens in den vergangenen Jahren in München Inszenierungen ihrer Texte, viele an den Kammerspielen: „In den Alpen“, „Wolken.Heim“, „Ulrike Maria Stuart“ „Rechnitz (Der Würgeengel)“, „Winterreise“, „Die Straße. Die Stadt. Der Überfall“, „Das schweigende Mädchen“ und eben „Wut“, bei dem die terroristischen Attentate von Paris Schreibanlass waren.
Worum geht es? Jelineks Text „Wolken.Heim“ – der keine Personen vorgibt – enthält Aussagen etwa zu: … Sich selber glauben, von sich überzeugt sein, deutsche Traditionen, deutscher Geist, Wald und Romantik, Boden, drinnen und draußen, unsere Sprache, sich den Anderen überlegen fühlen, Selbstsucht, das Bewusstsein, etwas „Hohes“ zu sein, wir sind das Ziel in der Ewigkeit und so. Es entsteht dabei ein fast klaustrophobisches Bild, das gerade durch die Art der Inszenierung gefördert wird. „Das – deutsche – „Wir“ macht alles eng, obwohl es laut Wort und Tat so groß sein soll. Um diesen Widerspruch geht es! Um diesen Widerspruch!
In der Inszenierung am Residenztheater treten fünf Personen auf. In einer unangenehmen Atmosphäre: Ein Wartesaal, abgegrenzt, unfreundlich, grau, mehrere Sitzbänke, alles ist grau und nüchtern. Wirklich alles ist grau. Nur durch zwei Sehschlitze und Türöffnungen scheint freundliches und warmes orangenes Licht von irgendeinem „draußen“ herein. Bis zu den Haaren und zur Unterhose ist alles grau. Die Personen im Raum wirken irgendwie hilflos und lächerlich. Sie vermitteln durch ihr Aussehen „Deutsches“, wirken aber nicht sehr glaubhaft, es ist eben alles grau.
Die Personen reden viel, unterstützen aber den Inhalt nicht irgendwie durch bestimmte Darstellungen. Text. Die Inszenierung insgesamt hilft – leider – auch nicht, den Text zu verstehen. Ein Interview mit Elfriede Jelinek im Programmheft gibt etwas mehr Aufschluss. Elfriede Jelinek geht davon aus, dass besonders bei den Deutschen festzustellen ist, dass man die eigene Nationalität an Wald und Boden festmacht. Und an dieser Strenge und Klarheit, die fern von Gefühlen liegt.
Letztlich verbleibt eine Grundatmosphäre über das Deutsche: Man fühlt sich als Deutscher groß und besonders durch Worte und Taten. Und seien es Kriege. Aber ob das wirklich groß und besonders ist?
HIER die Seite zum Stück.
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