Einem breiten Publikum bekannt wurde Jonathan Franzen mit seinem 2001 erschienenen dritten Roman „Die Korrekturen“, der den National Book Award gewann, Finalist für den Pulitzer Preis war und sich weltweit über 2,8 Millionen mal verkaufte. Sein neuester Roman: „Crossroads“ erschien im Oktober 2021.
Crossroads ist – wie „Die Korrekturen“ – ein Familienroman, der erste Teil der Trilogie „Ein Schlüssel zu allen Mythologien“. Ein Familienroman, der sich mit allen möglichen Rückblicken und aus verschiedenen Blickwinkeln um Weihnachten 1971 in einer kleineren Vorstadtgemeinde im Mittleren Westen der USA abspielt. Die Mitglieder der Familie Hildebrandt: Vater Russ, Mutter Marion, die Söhne Perry, Clem und Jason und die Tochter Becky.
Es geht darum: Wie eine Familie im Grunde mehr und mehr genau dadurch auseinander bricht, dass jedes Familienmitglied natürlich seinen ganz eigenen Weg geht. Eine Entwicklung fast jeder Familie! Jonathan Franzen gelingt es dabei wunderbar, nicht nur die Wege der einzelnen Personen aufzuzeigen, sondern immer wieder zu schildern, zu zeigen, wie diese eigenen Wege der einzelnen Familienmitglieder auf die anderen Familienmitglieder und auf das gesamte Familiengefüge einwirken. Wer sich über was ärgert, wer mit wem oder was eher gut oder eher schlecht zurecht kommt. Vater Russ, Pfarrer einer christlichen Gemeinde, verliebt sich in eine jüngere Frau, Frances Cortrell … Mutter Marion – schon lange mit Russ verheiratet – verliebt sich (auch oder vor allem sexuell getrieben) auch in einen Mann, Bradley … Tochter Becky verliebt sich in einen jungen Musiker, Tanner … Sohn Perry nimmt Drogen und verkauft Drogen an Mitschüler … Sohn Clem verlässt die Uni, verschwindet nach New Orleans, später nach Mexiko, möchte aus bestimmten ideellen Überlegungen heraus für den Vietnamkrieg eingezogen werden … über den jüngsten Sohn Jason erfährt man am wenigsten.
Crossroads ist vor diesem Hintergrund eine bei den Jugendlichen des Ortes sehr beliebte Gemeinde-Jugendgruppe, die geleitet wird von einem jüngeren neuen Mitwirkenden der christlichen Gemeinde, Rick Ambrose. Russ verliert dadurch den Anschluss an die Jugendlichen des Ortes – sofern er ihn überhaupt jemals hatte. Es ist eine große persönliche Niederlage für Russ.
Das Buch ist in zahlreiche Kapitel eingeteilt, die sich schwerpunktmäßig jeweils mit dem einen oder anderen Familienmitglied befassen.
Erstaunlich, wie sich Jonathan Franzen in jede Person hineinversetzen kann. Er kann wahrlich extrem gut schreiben! Deswegen war ja wohl auch „Die Korrekturen“ so erfolgreich: Das Magazin Time hat „Die Korrekturen“ zu den besten 100 englischsprachigen Romanen, die zwischen 1923 und 2005 veröffentlicht wurden, gezählt. 2015 wurde dieser Roman von der BBC-Auswahl der besten 20 Romane von 2000 bis 2014 zu einem der bislang bedeutendsten Werke dieses Jahrhunderts gewählt.
Man hat den Stil von Jonathan Franzen, lese ich, in Kritiken mit dem von Dostojewski verglichen. Er beschreibt nicht nur irgendwelche Vorgänge, sondern im Grunde beschreibt er parallel ständig die Gefühlslagen, die Überlegungen der Betroffenen, deren Gedanken, deren emotionale Situation. Das bringt einem die Personen nahe. Hier eine Leseprobe, die den Stil schön darstellt.

Für eine weitere Leseprobe – von der Website bei http://www.rowohlt.de – bitte das Bild anklicken!
Der so überzeugend geschriebene Roman hat meines Erachtens allerdings eine Bruchstelle, an der ein völlig neuer Aspekt auftritt, der mich fast dazu brachte, das Buch zu beenden: Die Jugendgruppe „Crossroads“ reist auf einer der jährlichen Ausflüge zusammen mit Rick und Russ zu den Navajos, um ihnen gemäß eines staatlichen Auftrages bei Arbeiten zu helfen. Es entstehen dort völlig neue Probleme.
Die Navajos sind Indianer. Sie möchten in Ruhe gelassen werden. Das Navajo Nation Reservation ist übrigens mit 67.339 km² das größte Indianerreservat in den Vereinigen Staaten und erreicht die Größenordnung des Bundeslandes Bayern.
Unabhängig davon: Der 800-Seiten-Roman ist (trotz der gefühlten Länge im „Navajo-Teil“) lesenswert, ist meine Auffassung. Es passiert nichts besonders Aufregendes, man folgt den Personen und dem Auseinanderfallen der Familie.
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