Am Ende des zweiten Teils des Ballettabends “Passagen“ – dem Teil zu Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ – sieht man im Hintergrund am riesigen Multimediascreen die Nationalfarben der Ukraine, gelb und blau. Modest Mussorgski war bekanntlich Russe. Und am Ende der dreiteiligen Vorstellung steht Antonio Casalinho am vorderen Rand der dunklen Bühne und hält eine weiße Taube zum Publikum – siehe das Beitragsbild oben.
„Passagen“ ist ein Abend des Bayerischen Staatsballetts, der kürzlich Premiere hatte. Es sind drei Teile – von drei Choreographen – und es ist ein Thema: Mit „Passagen“ sind Übergänge gemeint, Übergänge von einem Zustand in den nächsten. παντα ρει – panta rei – alles fließt. Alles ändert sich immer!
Auch innerhalb ein und derselben Person ändert sich alles immer: Drei verschiedene Ansätze werden gezeigt: Teil eins (Choreografie von David Dawson) „Affairs of Heart“ greift tänzerisch den Wandel seelischer Zustände des Herzens auf. Teil zwei (Choreografie von Alexej Ratmanski) „Bilder einer Ausstellung“ greift tänzerisch auch einen Übergang auf, den seelischen, athmosphärischen Übergang beim Gang durch eine Ausstellung, von Bild zu Bild. Teil drei (Choreografie von Marco Goecke) „Sweet Bones’ Melody“ wiederum setzt mehr auf schnelle Gestik mit Händen und Füßen, weniger auf schönen Tanz.
All das kann man natürlich als “Laie“ nicht irgendwie deutlich erkennen. Ballett ist eine völlig eigene Welt des Ausdrucks! Als Zuschauer kann man und muss man natürlich auch nichts Spezielles erkennen. Jeder hat einfach seine eigenen Assoziationen. Es lässt sich ohnehin nur feststellen: Man – ich jedenfalls – versucht als Zuschauer eigentlich, das im Grunde tiefer nicht nachvollziehbare Bühnengeschehen ständig wenigstens zum Teil mit „herkömmlichen“ Begriffen und Erlebnissen zu interpretieren. Man sucht geradezu Dinge, Aspekte auf der Bühne, mit denen man „umgehen“ kann. Choreographisches, Freude, Leid, irgendetwas, das man irgendwie fassen und „bezeichnen“ kann. Die tänzerischen Leistungen sind ja ohnehin großartig! Andererseits muss man erkennen: Der Körper gibt Ausdruck in einer vollkommen anderen Dimension! Das spüren und erleben natürlich ganz genau die Tänzer und Tänzerinnen für sich! Auf diese Diskrepanz muss man sich unbedingt einlassen! Und das, was sich zwischen dem Geschehen auf der Bühne einerseits und dem Zuschauer andererseits ergibt, ist ja wiederum ein „Übergang“, könnte man sagen – ein Übergang nicht „innerhalb“ einer Person (das Thema dieses Abends), sondern ein Übergang zwischen Personen, ein Übergang der Kommunikation.
Man erlebt dabei drei sehr unterschiedliche Teile: Der erste Teil ist weiche, warme, abgerundete, eher klassische Ballettkunst! Auch die Musik: Warm, zart, langsam, leicht. Der zweite Teil ist schon „härter“, belebter, mehr Choreografie, immer noch eher klassisch, mehr Positionswechsel auf der Bühne. Auch die Musik: Schwer, wechselhafter, eben „Bilder einer Ausstellung“! Der dritte Teil ist hart, abgehakt, extrem schnell, besonders, dadurch sehr beeindruckend, kein klassischer Tanz. Auch den ersten Teil fand ich sehr beeindruckend!
Teils standing ovations am Ende.
Klicken Sie auf die Bilder zur Verlinkung auf die jeweiligen Choreografen:
Affairs of the Heart:

Bilder einer Ausstellung:

Sweet Bones‘ Dance:

HIER eine sehr ausführliche Besprechung des Abends „Passagen“ vom 27.3.2022 aus der Zeitschrift „Ballett Journal“. Der Artikel lautet: „Tänzchen mit Täubchen“, mit dem Untertitel: „Passagen vereint beim bayerischen Staatsballett ein tolles neues Stück von David Dawson, einen peinlich inszeniert den Auftritt von Alexei Ratmansky und das übliche gezappelt von Marco Goecke.“
Klicken Sie nun noch auf das erste Bild unten: Sie werden auf ein schönes Video verlinkt, das Vorbereitungen des Abends „Passagen“ darstellt. Klicken Sie auf das zweite Bild unten: Sie werden auf die Stückeseite zu „Passagen“ auf der Website des Bayerischen Staatsballetts verlinkt. Klicken Sie auf das dritte Bild unten: Sie werden auf Bilder der Ensemblemitglieder des bayerischen Staatsballetts verlinkt.



Copyright des Beitragsbildes oben: C. Quezada