Der Stream des Monats Februar des Deutschen Theater Berlin – DT „Stream des Monats“- läuft bis morgen, Sonntag, 20. Februar, 20:00 Uhr. Gezeigt wird eine Inszenierung des russischen Klassikers „Die Möwe“ von Anton Tschechow in der Regie von Jürgen Gosch. Das Thema Russland ist ja gerade sehr brenzlig, was man bei der Auswahl des Streams natürlich noch nicht wusste.
Wer schlicht „Weltliteratur auf der Bühne“ erleben möchte, hat hier jedenfalls etwas. Man sieht hier „Die Möwe“ VON Anton Tschechow, nicht etwa „Die Möwe“ NACH Anton Tschechow. Ja, so originalgetreu – wenn auch im Bühnenbild extrem reduziert – sieht man es heute selten. Der Blick auf diese Inszenierung zeigt: Es hat sich in den letzten etwa 14 Jahren Einiges geändert! Die damalige Inszenierung von “Die Möwe“ wurde im Jahre 2009 – 13 Jahre ist das her – zum Theatertreffen in Berlin eingeladen. Sie wurde damals außerdem von der Zeitschrift Theater heute zur Inszenierung des Jahres gekürt! Anton Tschechows „Möwe“ wird in dieser Inszenierung wortgetreu wiedergegeben. Ich fand es mittlerweile ja fast schon altbacken. Aber es war eine gefeierter Inszenierung. Vor allem nach Jürgen Goschs großem vorherigen Erfolg „Onkel Wanja“, der sehr ähnlich inszeniert war. Besetzt war „Onkel Wanja“ wunderbar! Mit Jens Harzer und Ulrich Matthes vor allem, ein Genuss und meines Erachtens schauspielerisch besser als „Die Möwe“. Auch „Onkel Wanja“ war damals eine Inszenierung am Deutschen Theater Berlin, zu sehen war sie im DT Stream vor einigen Monaten.
HIER der link zur Seite des Streams des Monats des Deutschen Theater Berlin.
Und HIER der Link zur Seite der Inszenierung „Die Möwe“ am Deutschen Theater Berlin.
Und hier zu “Die Möwe“ zwei Screenshots:


Die beiden – dunklen – Screenshots oben zeigen es: „Die Möwe“ ist eine für Jürgen Gosch typische Inszenierung: Wie bei “Onkel Wanja“: Kein Schauspieler verlässt während des Abends die Bühne. Alle sitzen hier auf einer langen Bank entlang der Trennwand der großen Bühne, gespielt wird auf einem schmalen Streifen im vorderen Bereich der Bühne.
Anton Tschechows „Die Möwe“ ist – wie bei vielen anderen der damaligen russischen Literaturklassiker (Strindberg, Tolstoi, Dostojewski, Tschechow und und und) – ein Blick auf das damalige Leben in Russland. Immer wieder Blicke auf das Leben „in der Stadt“ und das Leben „in der Provinz“. Auch Anton Tschechows „Die Möwe“ spielt auf dem Land, in der Provinz, auch wenn es hier im Stück auch sehr um das Verhältnis der Beteiligten zur Theaterkunst, um das Wesen und den “Nutzen“ der Theaterkunst geht. Und um Liebe und grundsätzliche Gedanken zum Leben natürlich. Aber, wie gesagt, es sind immer Blicke auf das damalige Leben in Russland. Blicke, die in heutigen Zeiten wenig bringen. Heute bereitet sich der russische Staatspräsident Wladimir Putin gerade darauf vor, in Europa in ein unabhängiges Nachbarland einzumarschieren. Weltpolitik. (Und ich schaue mir ganz unbehelligt ein russisches Stück an! Es liegt natürlich auch daran, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass Wladimir Putin tatsächlich militärisch vorgeht.)
Mein Eindruck aktuell: Russland will in der Weltpolitik wieder mitspielen. Die Frage, die sich ja vielleicht auch Wladimir Putin und seine Mannen (Frauen?) stellen: „Was ist denn Russland?“ Man fürchtet China, China geht einen sehr bewussten aggressiven Weg (staatlich gelenkter Kapitalismus mit globalen Ausdehnungsphantasien), man kennt Amerika, man kennt Europa, deren globales Freiheitsdenken, aber was macht denn Russland in der Weltpolitik noch aus? Welchen Weg in die Zukunft geht Russland? Ist Russland nicht irgendwie veraltet? Da fällt Wladimir Putin offenbar nichts anderes ein, als sich militärisch zu zeigen – geprägt von der Angst, das westliche Freiheitsdenken könnte irgendwann nach Russland überschwappen und Russland hätte seinen Bürgern keinen eigenen Weg in die Zukunft anzubieten. Und so weiter
Heute jedenfalls, im Jahre 2022, speziell in diesen Tagen, geht es um Russland und die Weltpolitik. Da hilft es natürlich wenig, Anton Tschechows „Die Möwe“ zu sehen. Trotzdem. Es muss und darf ja nicht alles immer Aktualitätsbezug haben. Und schließlich hat auch Anton Tschechows “Die Möwe“ etwas mit der russischen Seele zu tun.
Copyright des Beitragsbildes: Matthias Horn
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