Man kennt vielleicht Daniel Masons Debütroman „Der Klavierstimmer Ihrer Majestät“ (Deutsche Fassung 2003). Dort geht es um einen Klavierstimmer, der zu Zeiten der dortigen britischen Kolonialherrschaft nach Burma, in das heutige Myanmar, reist. Es geht wohl auch um Liebe. Ich kannte den Roman nicht. Ich kannte auch Daniel Mason nicht. Aber ich hatte kürzlich Geburtstag und habe seinen aktuellen Roman „Wintersoldat“ geschenkt bekommen.
Daniel Mason ist Amerikaner und ich finde, man erkennt manchmal an der Art und Weise, wie ein Buch geschrieben ist, dass der Autor Amerikaner ist. So auch bei diesem Roman. Natürlich erkennt man das nicht bei allen amerikanischen Autoren, bei Paul Auster beispielsweise wenig (kürzlich gelesen: Sein autobiografischer Roman „Winterjournal“), bei Richard Powell wenig (ich mochte den fantastischen und anrührenden Roman „Der Klang der Zeit“ ganz besonders!), bei Louis Begley wenig (ich kenne von ihm „Erinnerungen an eine Ehe“ und „Schiffbruch“). Es gibt natürlich fantastische amerikanische Autoren. William Faulkner etwa („Licht im August“!). Oder Ernest Hemingway und seine Short Stories. (Er hatte übrigens Anfang Juli diesen Jahres seinen 60. Todestag. Und ich meinen 60. Geburtstag!) Oder oder oder. Die Liste der wirklich beeindruckenden amerikanischen Schriftsteller ist sehr lang!
Daniel Mason ist rein sprachlich gesehen dagegen nicht irgendwie auffallend. Ich möchte behaupten, vor allem viele europäische Schriftsteller schreiben oftmals irgendwie variantenreicher, im Stil einfallsreicher oder empfindsamer. Der Roman „Wintersoldat“ von Daniel Mason scheint mir eine Erscheinung relativ moderner amerikanischer Literatur zu sein: Der Roman ist eine sehr genaue und dadurch sehr intensive Schilderung der Entwicklung eines tragischen Lebens in sehr schwerer Zeit! Die Zeit des 1. Weltkrieges! Die Schilderung des Lebens des jungen Arztes Lucius wird – das mögen die Amerikaner ja – bald mehr und mehr zu einem „page turner“, also zu einem Buch, das man nicht weglegen möchte, sondern bei dem man Seite für Seite weiter lesen möchte, um den jeweiligen weiteren Verlauf und den Ausgang der Geschichte zu erfahren.
Beeindruckend ist auf jeden Fall die unglaublich genaue und facettenreiche Schilderung der fürchterlichen damaligen Umstände an der russisch/österreichischen Frontlinie während des ersten Weltkrieges. Die Kriegszustände! Lucius ist Lazarettarzt hinter der Frontlinie. Ebenso beeindruckend ist die unglaublich genaue und facettenreich Schilderung der medizinischen Möglichkeiten der damaligen Lazarettärzte hinter der Frontlinie. Mason schildert immer wieder grauenhafte Entstellungen und Verletzungen viele Soldaten. Insoweit ist der Roman sogar nicht einmal mehr zeitgemäß, Kriege würden heutzutage doch – meint man – eher mit dem sofortigen Tod des Soldaten enden, als mit fürchterlichen Erfrierungs- oder Schussverletzungen oder mit Entstellungen durch Granaten und Bomben. Heutzutage leidet die Zivilbevölkerung viel mehr! Insoweit ist dieser Roman eher ein historischer Roman.
Auch, scheint mir, ist etwas typisch für moderne amerikanische Literatur: Natürlich mischt sich neben all diesen fürchterlichen Schilderungen der damaligen Lebensumstände das Thema der großen Liebe in den Roman! Das Thema der großen Liebe bestimmt letztlich den Verlauf des Romans! Und insoweit wählte Daniel Mason wohl wieder die Technik, die er auch bei seinem Debütroman angewandt hatte. Das Thema der Liebe hält den Roman am Laufen!
Ich muss gestehen: Der Titel „Wintersoldat“ hat mir dabei nicht sehr gefallen. Was ist denn ein Wintersoldat? Gut, im Laufe des Romans wird es klar. Es ist ein völlig traumatisierter, ansonsten wohl unverletzter Soldat, der im tiefsten Winter ins Lazarett kommt. Er prägt den Roman auch in gewisser Weise. Ihn aber gleich „Wintersoldat“ zu nennen, scheint mir fast kitschig.
Also: Wer einen historisch recht interessanten und sehr detailreich geschriebenen Roman zum 1. Weltkrieg lesen möchte, den er nach einer gewissen Zeit auch nicht mehr weglegen möchte – im Urlaub etwa, der möge sich den mit diesen Vorgaben durchaus guten Roman „Wintersoldat“ von Daniel Mason nehmen.
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