Luc Bondy (*17. Juli 1948 – 28. November 2015) war einer der interessanten Regisseure des Theaters der vergangenen Jahrzehnte. Das Theater hat sich ja sehr entwickelt. Luc Bondy stand noch eher auf der klassischen Seite der Medaille. Freie Szene, Performances, Tanz und Ähnliches waren weniger sein Ding. Er setzte ganze Stücke um.
Aber er war sicher besonders. Vielleicht war er ein Übergang in neue Zeiten – in seinem offenen Umgang mit den SchauspielerInnen vor allem, denen er viel Freiräume gab, die er offenbar sehr schätzte und aus denen er so viel herausholte.
Bei Luc Bondy wurde schon früh Krebs diagnostiziert – 1975, er war keine dreißig Jahre alt! -, hatte aber nach der Chemotherapie noch viele Jahre, dann kam der Krebs zehn Jahre später wieder, wieder Chemotherapie, dann ging es wieder, dann kamen schwere Rückenprobleme/Wirbelsäulenprobleme hinzu, wieder Operationen, zusätzlich Diabetes, Luc Bondy starb 2015 im Alter von 66 Jahren.
Ich hatte kürzlich einen wunderbaren hochwertigen, großformatigen Bild- und Textband über Luc Bondy geschenkt bekommen. Ein Weihnachtsgeschenk, das erst jetzt bei mir ankam.
Auf 300 Seiten – schweres Glanzpapier – erhält man einen Einblick in Luc Bondy’s Leben, seine Person, sein Denken, seine Stationen, seine Freunde, seine Familie, seine Weggefährten. Es geht immer um seine Herangehensweisen an das Theater. Er scheint einen verschmitzten Humor, Intelligenz, Offenheit, absolute Literatur- und Theaterbegeisterung und vor allem Liebe für Menschen, für seine SchauspielerInnen gehabt zu haben. Ich glaube, er wollte nicht etwa ehrgeizig Stücke „produzieren“, sondern dem Leben näher kommen!
Der Band ist eine Zusammenfassung von Fotografien, Texten, Notizen, Zeichnungen. Er ist ein absolut gelungenes Geschenk für Theaterfreunde! Schauspieler, Kollegen, Assistenten, Dramaturgen, Familienmitglieder, Freunde, Autoren, Schriftsteller etc., sie alle kommen etwa zu Wort und schildern ihre Bekanntschaft zu Luc Bondy oder Erlebnisse mit ihm.
Sein Freund Botho Strauß, sein Freund Peter Handke, Jens Harzer, Ilse Ritter, etwas über Michel Picccoli, Yasmina Reza, Barbara Sukowa und und und. Zwischendrin finden sich immer wieder eigene Texte, Notizen, Gedichte von Luc Bondy. Das Buch schließt mit einem Text seiner Ehefrau.
Herausgegeben hat das Buch Geoffrey Layton, der viele Jahre lang Luc Bondy‘s Assistent war. Luc Bondy hatte sich gewünscht, dass er ein Buch über ihn und seine Arbeit herausgibt.
Ich hatte leider nie eine Inszenierung von Luc Bondy gesehen. ABER: Die Kulturredaktion des ZDF/3sat war so freundlich, mir Aufnahmen zweier Inszenierung von Luc Bondy zu schicken! „Drei Mal Leben“ von Yasmina Reza aus dem Jahr 2001 und „Schlußchor“ von Botho Strauß aus dem Jahre 1993!
Beide Inszenierungen waren damals zum Theatertreffen in Berlin eingeladen und wurden im Rahmen der Reihe „Starke Stücke“ von 3sat aufgezeichnet und gesendet. „Drei Mal Leben“ von Yasmina Reza war 2001 eingeladen, „Schlußchor“ war 1992 eingeladen. Gerade „Schlusschor“ ist meines Erachtens ein Gesamtkunstwerk! Schauspielerisch! Das Bühnenbild … Großartig!
Vielen Dank nochmals an das ZDF/3sat, Herrn Horn!
Ich lese immer wieder in diesem Buch! Auffallend ist, dass jeder Text und jedes Bild, jede Notiz eine Art Zurückhaltung ausstrahlt, die Luc Bondy ausgezeichnet haben wird. Es hat nichts Egoistisches! Es wird – obwohl es ein Buch über ihn ist – komplett vermieden, Luc Bondy nur in den Himmel zu loben, nichts ist anbiedernd, schreierisch. Er wird durchaus fast von allen seinen Weggefährten irgendwie bewundernd dargestellt. Natürlich hat in einem solchen Buch niemand etwas gegen ihn, aber die Gesamtstimmung dieses Buches trägt dazu bei zu erkennen: Er wollte dem Leben näher kommen, nicht nur Stücke produzieren!
Ein intelligenter Literat, ein absoluter Theatermann, ein Ästhet, er hatte Humor, war Freund der SchauspielerInnen, liebte Menschen, wie gesagt, war wohl nicht dirigistisch, nicht eingebildet, nicht Autokrat, eher zurückhaltend, stupste die SchauspielerInnen nur an, ließ sie machen, aber wohl immer mit einem irren Gefühl und einer irren Präzision für die Stücke und vor allem ihre Personen.
Genau das mag ein Unterschied zu vielen heutigen Inszenierungen sein: Während viele Regisseure heute sicher dazu tendieren, aus teilweise klassischen – oder sonstigen bekannten oder unbekannten – Werken nur noch einzelne Gedanken herauszuholen und mit vielen eigenen Ideen anzureichern oder sie sehr eigenwillig- oft interessant! – umzusetzen, wollte Luc Bondy tatsächlich noch die Stücke in ihre Gesamtheit auf die Bühne bringen! Mit seiner besonderen Ästhetik, mit seinem besonderen Blick auf den Kern der Stücke.
Luc Bondy arbeitete an vielen Theatern, er war nicht an ein Haus gebunden. Erst zuletzt war er am ehesten gebunden, er war mehrere Jahre lang Intendant der Wiener Festspiele. Davor war es Paris, Nanterre, London, Frankfurt, Hamburg, Berlin, Salzburg, Wien, Lausanne, New York und mehr.
All dies und viel mehr, auch mit sehr schönen Aufnahmen seiner Inszenierungen, kann man in diesem interessanten Buch lesen. Einen Blick durch das Buch gibt es hier nachfolgend. Einfach unten den link anklicken und ein kleines Video ansehen.
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