Wer KINDER-Überraschungseier mag, wird Gefallen an diesem Buch finden! Nicht weil es kindisch wäre! Nein, weil man viele Überraschungserlebnisse hat. Eshkol Nevo, Schriftsteller aus Israel, beantwortet in seinem jüngsten Roman „DIE WAHRHEIT IST“ Fragen über das Schreiben, über sein Leben als Schriftsteller, die Entstehung der Texte, die Personen, über die er schreibt, über viele viele Dinge, die mit dem Schreiben von Büchern in Zusammenhang stehen.
Die Antworten sind Überraschungen. Immer wieder kann man gespannt sein, was er zu einer Frage erzählt.
Meine Bewertung: 8 Punkte (von 10 Punkten). Ich werde demnächst auf 20 Punkte umstellen, dann wird es differenzierter werden. 20 Punkte, das ist doch eine Freude! Ich habe in letzter Zeit zu oft 8 Punkte vergeben. 8 Punkte heißt auf jeden Fall: Schön, dass ich das Buch gelesen habe! Bei 7 und weniger Punkten dagegen hatte ich schon mehr Kritikpunkte gefunden.
Eshkol Nevos Buch „Die Wahrheit ist“ ist ein großes Interview. 111 Fragen werden gestellt und 111 Antworten gegeben! Mal kurze, mal längere. Meist sind es kurze Einblicke in Momente seines Lebens. Das Gute ist: Am Ende hat man nicht Bauchweh, nicht Zahnweh wegen süßer Schokolade, sondern einen autobiografisch zutreffenden Einblick in das Leben des israelischen Schriftstellers Eshkol Nevo. Immer vor dem Hintergrund der Fragen, die sich fast ausschließlich auf das Schreiben von Büchern und das „Drumherum“ (die Personen, Lesungen, die Sprache, die Ideen, die Verläufe der Romane, die Zeiten vor und nach dem Schreiben etc.) beziehen. Es kommt irgendwie das ganze Leben von Eshkol Nevo zur Sprache. Insoweit ist es eine schöne Art, eine Biographie zu schreiben.
Ich habe mir die Mühe gemacht, die Fragen und auch Stichworte zu den Antworten zusammenzustellen. HIER das Dokument. Es lohnt, das Dokument beim Lesen des Buches daneben zu legen oder es sich ab und an anzusehen. Man liest schließlich keine zusammenhängende Geschichte, der man folgt und bei der man immer weiß, an welcher Stelle des Geschehens man steht.
Andererseits: Viele viele Antworten gehen in verschiedensten Zusammenhängen auf eine überschaubare Anzahl von prägenden Themen im Leben von Eshkol Nevo ein. Ausgehend von der aktuellen Situation von Eshkol Nevo: Er sieht sich vor großen Verlusten in seinem Leben, darum geht es.
Das Vergängliche. Das ist immer wieder der „Aufhänger“ für seine Antworten. Die Ehe mit seiner geliebten Frau Dikla steht vor dem Ende. Sein guter Freund Ari, er kämpft mit Krebs gegen den Tod. Seine Tochter Shiva, sie ist ausgezogen. Und Weiteres. Die Antworten stehen immer wieder mit diesen wesentlichen Themen im Zusammenhang. Und mit Ereignissen und Stationen auf seinem Lebensweg. In einer Antwort etwa öffnet sich eine Tür zum Nachbarzimmer (in einem Hotel) und in einer späteren Antwort erst erfährt man, wer reinkommt.
Eshkol Nevo schafft damit etwas: Er schafft es, dass man erkennt, dass sein gesamtes Leben die Grundlage seines Daseins als Schriftsteller ist. Nicht Grundlage seiner Romane, sondern Grundlage seiner Tätigkeit. (Obwohl, Grundlage seiner Romane: Er sagt auch, dass fast alles, was er erlebt, irgendwann einmal in einer Geschichte auftaucht. Was auch ein Problem für ihn ist – und etewa für seine Tochter Shiva, die sich ungefragt in einem Roman wiederfindet) Eshkol Nevo erwähnt – vor allem neben seiner Frau Dikla – seine Eltern, andere Personen, seine Söhne, seine Tochter, Freunde, Zufälle, kuriose Erlebnisse, prägende Erlebnisse, etwas aus seiner Zeit beim Militärdienst, seinen „Berufsweg“ und und und. Die Fragen beantworten sich aus seinem Leben heraus. Eine Überraschung folgt der anderen.
Wer ist Eshkol Nevo? Wikipedia schreibt:
Eshkol Nevo ist in Israel und in Detroit, USA aufgewachsen. Er ist ein Enkel von Levi Eshkol, des dritten israelischen Ministerpräsidenten. Seinen Wehrdienst als Offizier der Israelischen Armee leistete er bis 1993 zur Zeit der ersten Intifada ab. Er studierte an der Universität Tel Aviv Psychologie. Zunächst arbeitete er danach als Werbetexter, bevor er einen Lehrauftrag in kreativem Schreiben an den Universitäten Tel Aviv und Jerusalem erhielt. Sein erster Roman, Vier Häuser und eine Sehnsucht, stand in Israel über eineinhalb Jahre auf der Bestsellerliste.
Ein weiterer Eindruck aber: Die deutsche Sprache ist – ich habe es schon mehrfach gemerkt – nicht gerade schön. Sie wirkt hart, emotionslos, es wird viel erzählt, aber an den Stimmungen der Szenen kommt nicht genug rüber, fand ich manchmal. Ich vermute jedenfalls, dass der Roman (das Interview) „Die Wahrheit ist“ in seiner Originalsprache, dem Hebräischen, schöner, einfühlsamer ist. Ich vermute, dass in der Deutschen Übersetzung die gesamte Stimmungslage der Erzählungen von Eshkol Nevo zu kurz kommt.
Das wiederum sollte nicht davon abhalten, das Buch zu lesen – besonders, wenn man sich selber mit dem Schreiben von Texten beschäftigt. Es sensibilisiert und zeigt, dass so vieles einen Einfluss darauf hat, was man macht. Das ist das Schöne an dem Buch: Eshkol Nevo zeigt, dass man den Einfluss der Dinge nur erkennen muss und dass genau das dann gelingt, wenn man die Dinge schonungslos ehrlich betrachtet. Ein wertvoller Hinweis! Und deswegen heißt der Roman: „Die Wahrheit ist“.
HIER die Seite des dtv Verlags zum Buch mit Leseprobe..
LASSE EINE ANTWORT