Das Thema ist nicht neu: Wohlhabende und immer erfolgreiche Menschen und Personen, denen es nicht so gut geht, die die heile Welt in Frage stellen und erschüttern. Oder: Personen, die zumindest anders denken und anders leben. Es geht aber auch schnell um „Reich und Arm“.
Mittlerweile geht es nicht mehr nur um das soziale Thema, sondern auch um die ökologische Frage. Das Soziale und das Ökologische, unzweifelhaft die zwei großen Themen unserer Zeit – in unserer Welt. In beiden Bereichen zerstören wir – in den westlichen Ländern allemal – immer mehr die Welt!
Speziell das Thema „Reich und arm“ wird momentan auch in dem zurzeit von Fachleuten unglaublich gelobten Film „Parasite“ aufgegriffen! Es ist für viele der „beste Film des Jahres“! Ein asiatischer Film, eine arme Familie dringt über Jobs mehr und mehr in das Leben einer reichen Familie ein. HIER der Trailer des Films.
So, nun zur Inszenierung im Residenztheater:
Sie reden über einen Abend, die Szenen kommen immer wieder hoch, wiederholen sich, es kommt nicht auf Chronologie an. Sie reden und zeigen, wie es war. Ansich ein schöner Ansatz. Eine Inszenierung von Tilmann Köhler. „170 Fragmente einer gescheiterten Unterhaltung“ heißt der Untertitel des Stückes am Residenztheater. Mein Kommentar aber:
Das war nichts! Angesichts des großen Themas des Stückes – aufgeladen noch dazu mit biblischen Themen! – hat mir diese Inszenierung überhaupt nicht gefallen! Ich schreibe heute eine sehr deutliche Kritik! Aber hingehen und ansehen und selber urteilen!
Es war rundum nicht genug, finde ich! Es passte hinten und vorne nicht! Es geht los bei der vielleicht falschen Besetzung, dann das fragwürdige Bühnenbild, dann die nicht bestehende Kostümierung, der Inhalt des Stückes, die Inszenierung ansich. Alles war – vor allem in der Gesamtheit – meines Erachtens eine Themaverfehlung. „Setzen, Sechs“, würde ich, wäre ich Lehrer, sagen, „dieses Thema hat mehr verdient!“ Hier all das, was mir auffiel:
Der Inhalt:
Roland Schimmelpfennig hat das oben genannte Thema eines ökologischen und sozialen Konfliktes für das Münchner Residenztheater in einem Auftragsstück mit dem Titel „Der Riss durch die Welt“ aufgegriffen.
Das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Paare: Eine Künstlerin und Jared, ihr Assistent, und ein wohlhabendes Millionärsehepaar, das die beiden empfängt, um über die Finanzierung des Projektes der Künstlerin „Riss durch die Welt“ zu reden. Roland Schimmelpfennig ist erfahren, etwas über 50 Jahre alt, hat schon viele Erfolge gehabt.
Roland Schimmelpfennig bringt noch dazu in seinem Stück einen Zusammenhang mit den zehn „biblischen Plagen“ aufs Tableau. Das sollte wohl die aufkommende ökologische Katastrophe verdeutlichen. Auch der „Riss durch die Welt“, ein Blutstrom, der alles mitreißt, als Kunstprojekt irgendwie, soll natürlich auf das ökologische Desaster hinweisen. Mit der biblischen Anleihe vor allem wurde aber jede ökologische oder soziale Frage fast auf eine mythische Ebene gehoben. Und damit irgendwie unantastbar. Man kann den Ansatz ja grob verstehen, aber dem Thema half es nicht!
Der Gesamteindruck:
Das Stück, dieses Auftragswerk für das Residenztheater, hätte meines Erachtens vielleicht – vielleicht – funktioniert, wenn es wirklich auf die Spitze getrieben worden wäre von Tilmann Köhler. Das hat er aber nicht gemacht. In keinem Detail. Nichts davon war irgendwie „erschreckend deutlich“ oder verstörend oder aufrüttelnd. Das Stück hätte vielleicht drastische Videobilder, drastische Musik, drastische Schauspieler, drastische Szenen etc. gebraucht. Dann hätte es vielleicht funktioniert. Dann wären die wenigen guten Ansätze des Stückes vielleicht auch deutlich geworden.
Das Einzige, was an diesem Abend „auf die Spitze getrieben“ wurde, war, dass Jared – der Assistent der Künstlerin – sechs- oder siebenmal (es mag im Grunde immer wieder derselbe Wurf gewesen sein, dieser eine Moment wurde eben mehrfach wiederholt) ein Glas Champagner gegen eine riesige Metallwand wirft. Das gefällt doch: Ein Glas Champagner gegen die Wand. Und alles geht weiter. Und dass das Millionärspaar teils mit irgendwelche Ansichten angeschrieen wurde. Auch erotische Annäherungen sind dann plötzlich noch im Spiel.
Die Besetzung von Jared, dem Assistenten der Künstlerin:
Musste das wirklich sein? Der Assistent, der die Welt des reichen Ehepaares am meisten kritisiert, ist dunkelhäutig! Benito Bause. Man wird als Zuschauer also sofort in das Klischee „Weiße und Dunkelhäutige“ gestoßen! Fürchterlich unnötig und völlig unpassend. Was für eine abgeschmackte Idee!
Die Besetzung der anderen Personen:
Sie spielen es im Grunde alle mit wenig Überzeugung, war mein Eindruck. Auch das hat das Thema nicht verdient. Aber was sollen sie machen, die Personen sind wohl vom Autor nicht anders gezeichnet. Vielleicht waren für diese Inszenierung aber einfach auch die falschen SchauspielerInnen ausgewählt.
Oliver Stokowski als millionenschwerer Sattelitenhändler: Nicht überzeugend, er hätte auch Arzt sein können. Carolin Conrad als seine Frau: Sie geht im Stück völlig unter. Lisa Stiegler, die junge Künstlerin: Sie war noch am ehesten überzeugend. Der fast beste Moment des Abends war der, als sie sang. Benito Bause: Auch nicht überzeugend, er hätte sagen müssen: Das spiele ich nicht! Er spielte auch zu „schauspielerhaft“, fand ich. Er wird besser spielen können. Und im Hintergrund als Dienstmädchen Maria Cathrin Störmer: Diese ansich schöne Rolle der Beobachterin ist auch nicht scharf genug geworden, funktionierte auch nicht, dachte ich.
Die Kostümierung:
Alle vier Schauspieler sind offenbar an der Kostümabteilung vorbeigelaufen. Die Alltagskleidung, in der sie auf der Bühne erscheinen, war – mein Eindruck – für dieses Thema viel zu läppisch. Wo war da die Idee? Und das Dienstmädchen in typischer Rüschenbluse …
Das Bühnenbild:
Eine leere Bühne, eine riesige dunkle hohe Metallwand, die sich manchmal im Kreise drehte. Mehr nicht. Wie bei „Amphitryon“, das derzeit auch am Residenztheater läuft. Vorne am Bühnenrand standen zudem meistens vier Stühle, auf denen die SchauspielerInnen immer wieder saßen und über den Abend redeten.
Die Inszenierung:
Mein Eindruck, wie gesagt: Das Stück hätte vielleicht funktioniert, wenn alles auf die Spitze getrieben worden wäre. Ich hatte eine Inszenierung mit vielen, vielen wilden Videoeinspielungen, mit Musik, mit Ideen vor Augen, einem krassen Bühnenbild. Nichts davon war gegeben. Seltsam, Regisseur Tilmann Köhler gehört doch eigentlich zur wachen jüngeren Generation. Er ist gerade 40 Jahre alt. Aber so?
Ich habe jedenfalls das Cuvillestheater verlassen und fühlte mich betäubt von einer letztlich nicht einmal im Ansatz wirklich irgendwie empathischen, berührenden, sondern einer eher beliebig arrangierten Vorstellung. Angereichert mit biblischen Bildern, die in ihrer Zusammenhanglosigkeit alles im Nichts auflösten. So möchte ich nicht oft das Theater verlassen.
HIER die Stückeseite der Inszenierung auf der Website des Münchner Residenztheaters.
Copyright des Beitragsbildes: Sandra Then
Von meinem iPad gesendet Blog: www.qooz.de
Leave A Reply