Shakespeares Macbeth hat Konjunktur! Er ist derzeit zu sehen am Münchner Residenztheater, an den Münchner Kammerspielen, am Berliner Ensemble, am Staatsheater Nürnberg und am Schauspiel Hannover. Und wer weiß, wo sonst noch. Ein schlechtes Zeichen!
Eigentlich kann man sagen: Ganz schön feige und verlogen, wenn man sich hinsetzt und sich den klassischen alten Macbeth ansieht, während draußen die Welt völlig anders ist. Ein Beispiel für unser „Heute“: Ein Freund lebt derzeit im indischen Delhi (28 Millionen Einwohner!). Er erzählte mir, dass man tagsüber das Haus nicht verlassen kann, was schwer falle, die Luft sei extrem schlecht! Das sind die Probleme unserer Zeit! Die Umwelt! Aber typisch Mensch: Nicht Hinschauen! Weitermachen! Einfach woanders hinsehen! Natürlich kann nicht jedes Theaterstück auf die aktuelle Zeit eingehen. Aber sich zurückzulehnen und den alten Macbeth anzusehen, kann eben auch verlogen sein! Wenn es so simpel als „Wegsehen“ gehandhabt wird. Als Medizin gegen eine gewisse Hilflosigkeit oder Lustlosigkeit, sich anderer Probleme anzunehmen. Ein Beruhigungsmittel, das uns weltfremden Wahnsinn aus dem 15. Jahrhundert zeigt. Aber genau das passiert vielleicht öfter, als man meint.
Aber es kommt natürlich auch darauf an, was aus Shakespeare’s Macbeth gemacht wird. Ich habe jetzt drei Versionen gesehen: Am Münchner Residenztheater, an den Münchner Kammerspielen und am Berliner Ensemble.
Vorweg: Es waren drei unterschiedliche Herangehensweisen. Am Münchner Residenztheater sah man sehr klassisch Macbeth VON William Shakespeare (Regie: Andreas Kriegenburg). Am Berliner Ensemble sah man Macbeth nun VON Heiner Müller NACH William Shakespeare (Regie Michael Thalheimer). Und an den Münchner Kammerspielen sah man Macbeth dann auch VON Amir Reza Koohestani NACH William Shakespeare (Regie: Amir Reza Koohestani).
Es sind im Grunde ZWEI historische Herangehensweisen und EINE aktuellere: Historisch ist es am Residenztheater, wo schlichtweg Shakespeares Macbeth gezeigt wird. Historisch in einer anderen Zeit ist es am Berliner Ensemble, wo Heiner Müllers damalige etwas umgeschriebene Fassung von Macbeth gezeigt wird – die 1972 uraufgeführt wurde und die in der DDR schnell verboten war (Vorwurf des Nihilismus). Von aktuellem Bezug ist dagegen allenfalls die Inszenierung an die Münchner Kammerspielen. Über die Inszenierung an den Münchner Kammerspielen werde ich aber erst noch genauer schreiben.
Über die Inszenierung an Münchner Residenztheater, die ich gestern gesehen habe, kann ich folgende Eindrücke kundtun:
Alles spielt auf einer riesigen, sich drehenden und sich schief stellenden Hebebühne. Die Optik ist der Optik sehr ähnlich, die man bei Ulrich Rasche findet. Auch die Lichtgestaltung. Besonders der immensen und fast bedrängenden Optik von Rasche‘s Stück „Die Räuber“ ähnelt es. Die Inszenierung von Ulrich Rasche‘s „Die Räuber“ wurde und wird ja immer noch am Residenztheater gebracht und war zum Theatertreffen 2017 in Berlin eingeladen. Damals waren es riesige Laufbänder, hier bei Macbeth eine riesige Plattform. Ästhetik und Optik bei Macbeth und bei „Die Räuber“ sind ähnlich! Auf der Bühne waren bei Macbeth im hinteren Teil einige etwa 3 m hohe dünne Holzstäbe installiert, wer weiß warum. Optik. Sachlichkeit. Schlichtheit. Verstrickung? Sie wurden immer wieder einmal heraus- und hereingesteckt. Mehr nicht – was mir ansich immer gefällt.
Inhaltlich wurde Shakespeare’s Tragödie Macbeth am Residenztheater ziemlich genau in seiner klassischen Form geboten. „Tja, der Wahnsinn von Tyrannen“ konnte man sich denken. Wäre aber etwas kurz gedacht. Shakespeare hat sicher mehr zeigen wollen. Mich haben aber in genau dieser Hinsicht die Darstellungen von Macbeth und Lady Macbeth durch Thomas Loibl und Sophie von Kessel nicht überzeugt. Während Shakespeare’s Macbeth ja zunächst ein loyaler Kämpfer für den König Duncan war – den er dann aber umbringt -, spielt meines Erachtens Thomas Loibl von Beginn an einen zu hintergründig denkenden, irgendwie von Beginn an verzweifelten, verwirrten Macbeth. Das hat gestört. Er macht doch eine Entwicklung durch. Shakespeare zeigt ja, dass es eigentlich erst „Hexen“ – Macbeth‘s Wahnsinn, seine Einbildung? – und dann seine Frau, Lady Macbeth, waren, die ihn zum Mörder machen konnten. Eine wesentliche Aussage von Shakespeare, der sicher ja immer wieder mit dem Aufstieg und Wahnsinn von Tyrannen befasst hatte. Das geht, fand ich, hier etwas unter. Vielleicht auch durch die gewohnten Spielweisen von Thomas Loibl und Sophie von Kessel.
Sophie von Kessel spielte meines Erachtens eine zu selbstverliebte Lady Macbeth. So sauber und verständlich.
Insgesamt aber war Macbeth am Residenztheater sehenswert – wenn auch konventionell, was ich ja nicht so mag -, WENN man eben den „alten“, „herkömmlichen“ Macbeth einmal sehen will.
Mein „Gesamteindruck“ war aber irgendwie: „Mit uns selber kommen wir Menschen nicht zurecht. Wir schauen uns dann lieber etwas an, was mit der heutigen Zeit nichts zu tun hat.“ Shakespeare’r Macbeth am Berliner Ensemble dagegen: Er stellte jedenfalls einen gewissen Bezug zu Heiner Müller und seinem Denken her. Auch das war nicht sehr deutlich, aber dennoch! Und Shakespears Macbeth an den Münchner Kammerspielen: War völlig anders. Hierzu später.
©️ des Beitragsbildes: Thomas Dashuber, Residenztheater
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