Shakespeare’s „Macbeth“ ist derzeit am Berliner Ensemble, am Münchner Residenztheater und an den Münchner Kammerspielen zu sehen. Drei Inszenierungen. Über eine vierte derzeit zu sehende Inszenierung (am Wiener Burgtheater die Inszenierung von Antú Romero Nunes) kann ich leider nicht berichten.
HEUTE schreibe ich über Shakespeare’s „Macbeth“ am Berliner Ensemble.
Also: Gerne spüre ich ja irgendwelchen Verbindungen hinter denjenigen Dingen nach, mit denen ich mich so befasse. Oft habe ich ja mehr Zeit dazu, als andere. Verbindungen gab es diesmal auch:
Macbeth. Ich saß vorgestern Nachmittag, Montag, der 03.12.2018, in einem ICE auf einem irgendwie unbequemen Sitzplatz gegen die Fahrtrichtung und fuhr von Berlin zurück nach München. Ich hatte „Macbeth“ gesehen, neben anderen Dingen des Wochenendes. Ich schaute immer wieder auf die Anzeige am Ende des Wagens, in dem ich saß, und las über dem Durchgang zum nächsten Wagen in roter Leuchtschrift dauernd: „ICE 5511 – Zug „Müritz“ – Wagen 24 – Uhrzeit …“.
„Müritz“? Nie gehört. Ich lese nach und sehe, dass Müritz der größte komplett in Deutschland liegende Binnensee in Mecklenburg-Vorpommern ist. Sagt Wkipedia. So weit, so gut.
Und Macbeth? Nun gut: Es war ja „Macbeth VON Heiner Müller NACH William Shakespeare“, was ich gesehen hatte. Als ich im ICE gerade noch etwas über Heiner Müller nachsah, las ich, dass Heiner Müller in jungen Jahren mit seinen Eltern einige Jahre in … wo? … in „Waren (Müritz)“ … gelebt hatte! Mein ICE! Aber es ging noch weiter: Heiner Müller lebte ja von 1929 bis 1995, hatte also als Kind noch den II. Weltkrieg und später dann den Mauerfall miterlebt. In der DDR hatte er bekanntlich gelebt. 1970 wurde er – las ich, ich wusste es garnicht – Dramaturg wo? … am Berliner Ensemble. 1992 übernahm er dann (gemeinsam mit Peter Zadek, Matthias Langhoff, Peter Palizsch und Fritz Marquardt) die Leitung des … des Berliner Ensembles.
Also „Macbeth“ von Heiner Müller. In den Achtzigerjahren war Heiner Müller, schreibt Wikipedia (es stimmt hoffentlich), liiert mit wem? … mit Margarita Broich! Siehe einfach meinen aktuellen Blogbeitrag zum Büchlein „Alles Theater“ von Margarita Broich (HIER). Also das auch noch!
Also: Ich saß ausgerechnet im ICE „Müritz“(!) und hatte am Freitagabend zuvor am Berliner Ensemble (!) von Heiner Müller (!) „Macbeth nach William Shakespeare“ gesehen. Und dann noch etwas: Am Berliner Ensemble wird es in Kürze ein Stück über wen? … über Heiner Müller geben, es heißt „Heiner 1 – 4“. Die Uraufführung wird am 26. Januar 2019 sein. HIER der Link zur Programmankündigung.
Jetzt aber zu „Macbeth VON Heiner Müller NACH William Shakespeare“, das seit Kurzem am Berliner Ensemble gebracht wird:
Es ist eine Inszenierung von Michael Thalheimer. Übrigens: Im Januar werde ich eine weitere Shakespeare – Inszenierung sehen, von wem? … von Michael Thalheimer! „Richard III.“ am Münchner Residenztheater. Ich werde auch darüber berichten. Es heißt dort übrigens „Richard III. VON Michael Thalheimer NACH William Shakespeare“. Mal sehen. Und bei der Gelegenheit: Wer inszeniert gerade am Wiener Burgtheater derzeit Glaube Liebe Hoffnung von Ödon von Horvath? Richtig: Michael Thalheimer!
Jetzt also wirklich zu „Macbeth VON Heiner Müller NACH William Shakespeare“, das ich am Freitag am Berliner Ensemble gesehen habe:
Man hatte Heiner Müller in den Siebzigerjahren ja nach der Aufführung senes Macbeth „Nihilismus“ vorgeworfen. Es war eben eine Heiner-Müller-Übersetzung von Macbeth. Manche Äußerung der Übersetzung von Heiner Müller geht in der Tat in die Richtung Nihilismus. Nach dem Motto: „Was schert es mich, wie die Welt nach meinem Tod aussieht. Wenn ich tot bin, ist auch die Welt tot. Ich will meine Macht JETZT. Es geht nur ums Jetzt und um meine Lebenszeit. Es gibt keine Zukunft!„
Dementsprechend ist auch die Inszenierung von Michael Thalheimer sicher krasser, als eine „normale“ Aufführung des Stückes Macbeth. Etwas krasser: Man merkt es nicht durchgehend, aber an der einen oder anderen Stelle und an der sehr blutrünstigen, eindringlichen Gesamtinszenierung. Die Inszenierung überzeugte mich, sie ist als Gesamtinszenierung auf jeden Fall beeindruckend. Keinerlei Schnickschnack, es geht um die Personen und die Texte. Die Personen tauchen immer wieder aus tiefem Nebel auf der großen leeren Bühne auf. Das ist eindringlich, zeitlos, hat den Hang dazu, irgendwie zeitgemäß, fast aktuell zu sein. Es geht nicht um die Zeit des 15ten oder 16ten Jahrhunderts.
Im Sinne des „Sozialisten“ Heiner Müller kam allerdings etwas „Klassentrennendes“ nicht gerade zur Geltung. Die Inszenierung orientierte sich insoweit, auch wenn Sie beeindruckend war, doch eher am William Shakespear’schen Wahnsinn von Macbeth, nicht am Heiner Müller’schen Klassenbild.
Zu den Schauspielern: Trotz allem muss ich sagen: Sascha Nathan ist meines Erachtens keine Idealbesetzung für Macbeth gewesen. Ideal gewesen wäre ein Benny Claessens! Aber der kann ja nicht überall mitspielen. Er hätte wahrscheinlich den Wahnsinn von Macbeth und dessen nihilistische Einstellung (in der Fassung von Macbeth VON Heiner Müller) im WahnsInn deutlicher darstellen können oder wollen. Das ging Sascha Nathan ab! Sascha Nathan wirkte wie ein überforderter, nicht wie ein aggressiver Macbeth. Verwirrt wahnsinnig, nicht egomanisch wahnsinnig. So gesehen verfehlte Michael Thalheimer mit Sascha Nathan als Macbeth geradezu den Kern der Müllerschen Fassung von Macbeth. Themaverfehlung – zugunsten einer trotzdem beeindruckenden Gesamtinszenierung.
Am überzeugendsten war meines Erachtens Kathrin Wehlisch. Man sieht sie oben im Bild! Und hier noch ein Bild von ihr:

Vielleicht müsste man – zumindest nach Heiner Müller – das Blut in Shakespeare’s „Macbeth“ heute ersetzen durch das Geld der kapitalistischen Welt! Wäre mal interessant, es durchzuspielen. Früher hieß es (so sah es wohl Heiner Müller): „Brutalität und Blut regieren die Welt und sichern die Macht!“ Heute heißt es: „Geld regiert die Welt, Geld sichert die Macht!“
Also: Insgesamt sehenswert! Hingehen und ein eigenes Urteil bilden!
HIER der Link zur Macbeth-Seite des Berliner Ensembles.
©️ des Beitragsbildes oben und des weiteren Fotos: Mathias Horn, Berliner Ensemble
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