Ich hatte mir das Theaterstück vor Jahren in den Kammerspielen schon angesehen, Premiere war schon im Mai 2016. Jetzt kam es zum allerletzten Mal an den Münchner Kammerspielen: America nach dem Roman von T. C. Boyle. Ich schreibe ja nicht gerne über Dinge, die kein Mensch mehr erleben kann. In diesem Fall kann ich aber zumindest über den Roman schreiben, ich habe ihn noch einmal zur Begleitung des Theaterabends gelesen.
Mein Fazit vorweg: Es ist eigentlich eine erschütternde Geschichte über das Schicksal illegaler mexikanischer Einwanderer nach Amerika. Als Roman ist die Geschichte noch weit erschütternder, als es in den Kammerspielen inszeniert war. Regisseur war Stefan Pucher. Durchaus gelungen konnte er die zwei Welten, um die es geht, nebeneinander auf die Bühne bringen. Gut gemacht mit den Schaukästen, den Videos über der Bühne, den gestellten „Interviews“ mit zwei der prägenden Beteiligten. Stefan Pucher ist an sich sehr bekannt, an den Münchner Kammerspielen hatte er zuletzt den „Wartesaal“ nach Lion Feuchtwanger (HIER mein Blogbericht dazu) und „Die Zofen“ von Jean Genet inszeniert. Stefan Puchers Inszenierungen sind immer wieder beliebt und anerkannt. Er war schon einige Male zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Vielleicht aber ist er für aktuelle Verhältnisse fast schon zu harmlos. So ja auch in seiner Inszenierung des „Wartesaal“. Auch in „America“ kommt die Dramatik des Geschehens trotz allem irgendwie zu kurz. Die Angst, die beide Seiten prägt, kommt im Buch besser zur Geltung.
Man erkennt es schon am Beitragsbild oben: Es geht in der Tat um zwei verschiedene Welten: T. C. Boyle lässt beide voll aufeinanderprallen. Einerseits die ärmliche, trostlose Welt mexikanischer Einwanderer und andererseits die heile Welt wohlhabender Amerikaner, die sich von den Mexikanern bedroht fühlen. Es beginnt einfach mit einem kleinen Autounfall, der reiche Amerikaner fährt einen armen Mexikaner an, der die Canyonstraße überqueren will. Mit 20 Dollar wird alles erledigt. Es spitzt sich aber immer mehr zu. Die wohlhabenden Amerikaner in ihrer Wohnsiedlung, ihrem Wohnareal – hauptsächlich dargestellt mit den Personen Delaney und Kyra Mossbacher – wollen sich (vordergründig auch gegen die Tierwelt, Kojoten) immer mehr schützen und einsperren. Das mexikanische Paar Candido und America dagegen muss sich in den Schluchten eines benachbarten Canyons durchschlagen. Kein Geld, keine Unterkunft, keine Arbeit, kein Essen, es wird immer schlimmer, es kommt immer wieder etwas dazu. Ich will nicht zuviel verraten. T. C. Boyle schafft es, beide Welten im Roman sehr plastisch darzustellen.
Er schafft es auch, die Geschichte wie einen „pageturner“ zu erzählen. Ich jedenfalls wollte das Buch kaum mehr weglegen, obwohl ich die Geschichte kannte. Es wird auch nichts Unnötiges erzählt. Das Gesamtbild trifft er immer wieder gut! Offenbar besteht ja ein gravierender Unterschied: Während Flüchtlinge in Europa von Sozialsystemen aufgefangen werden, scheinen Mexikaner völlig auf sich selbst gestellt zu sein. So auch wird es gezeigt am grauenhaften Schicksal der von T. C. Boyle dargestellten Mexikaner Candido und America, die sich doch so sehr mögen! Interessant auch: Die Gefühlswelt kommt allenfalls auf Seiten von Candido und America zur Sprache, auf der Seite von Delaney und Kyra ist alles eher von logischen Überlegungen getragen! Das Ende ist etwas fragwürdig allenfalls.
HIER der link auf die Seite des dtv zum Buch!
Copyright des Beitragsbildes: Arno Declair, Münchner Kammerspiele
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