Man weiß ja, dass an deutschen Schulen Goethes „Faust“ nicht mehr zur Pflichtlektüre gehört. Diese Tatsache greifen die durchweg jungen SchauspielerInnen der Besetzung im derzeit am Münchner Volkstheater zu sehenden Stück „Feeling Faust“ zunächst in einer gestellten Diskussionsrunde auf. Etwa eine halbe Stunde lang wird im vorderen Teil der sehr großen neuen Bühne vor einer grünen Studiowand über den Faust geredet.
Ein kurzer Bericht:
Erfrischend pointiert wird zunächst also in junger, bieder gekleideter Runde (sie spielen dabei die ältere Generation) über Sinn und Zweck von Goethes „Faust“ geredet. Mein Eindruck: Im Gegensatz zum weiteren Verlauf des Abends hätten sich die beteiligten SchauspielerInnen in dieser Diskussionsrunde darstellerische noch deutlich zurückhalten können, es ging ja um das, was sie sagten. So aber, wie es gebracht wurde, wirkte es hier noch teilweise allein durch die Gestiken der Beteiligten etwas zu aufgesetzt, dadurch fast komödiantisch. Aber es zeigte in gewisser Weise eben den Irrsinn solcher Diskussionen.
Die Studiowand wird nach gut einer halben Stunde zu Seite geschoben, ganz nach dem Faustschen Motto: „Hinaus in die Welt“. Es öffnet sich die riesige neue Bühne des Münchner Volkstheater, sicherlich allein durch ihre Größe nicht leicht zu bespielen. Der Besetzung von „Feeling Faust“ gelingt es gut, die Bühne im weiteren Verlauf nicht zu groß wirken zu lassen.
Es entstehen zunehmend Bilder unseres modernen Lebens. Eindrücke einer typischen Jelinek-Inszenierung werden es, zeitnah, politisch, kritisch, chaotisch, mit Sprüngen in den Aussagen. So wird es ein Stück über die Gegenwart insgesamt, über moderne Lebensweisen, Kommunikation, über Extreme, auch über Gefühlswelten. Mitlaufende Videobilder verstärken die Eindrücke der aktuellen Weltlage, aber auch andere Aussagen, etwa wenn – eben Faust – über die Liebe gesungen wird.
Hervorragend ist mittendrin der – etwa viertelstündige – Monolog von Steffen Link als der große Alleskönner Johann Wolfgang Goethe. In unglaublicher Selbstverliebtheit und im Wissen darum, dass er ja ein Weltstar geworden ist und alles Mögliche erfunden hat (Farbenlehre etc.) spricht er herablassend mit dem Publikum. Herrlich satirisch, als würden wir Goethe alle ja eigentlich noch unterschätzen, oder im Grunde überschätzen? Johann Wolfgang Goethe – unser größtes Kulturgut?
So ist es ein ironischer, im Gegensatz zu Elfriede Jelinek aber tendenziell eher humoristischer, immer wieder in extremen Situationen abschweifender Abend über das Chaos im modernen Leben. Man hat den Eindruck: Die Liebe oder die Gefühle insgesamt gehen in diesem Chaos jedenfalls unter! Genau da steckt viel Kritik drin, ohne aber noch weiter sehr konkret zu werden. Man kann ja auch nicht alles bringen. Allerdings blieb für mich die Frage offen: War es ein humorvoller Blick auf die Welt oder war es Kritik?
HIER der Link zur Stückeseite auf der Website des Münchner Volkstheaters.
Copyright des Beitragsbildes: Gabriela Neeb
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