Ein Nachtrag zur gestrigen Pressekonferenz für das Theatertreffen 2023: Ich habe selten einer so seltsamen Veranstaltung beigewohnt, wie dem Streaming der gestrigen Pressekonferenz:
- Es begann mit den Worten des neuen Intendanten des Berliner Theatertreffens Matthias Pees. Er bedankte sich bei ungefähr 30 verschiedenen Adressen. Ich fragte mich, wen diese vielen Danksagungen auf dieser Pressekonferenz interessierten. Eine solch umfassende Danksagung könnte vor Publikum Sinn machen. Nicht vor etwa 30 Pressevertretern, keine der Danksagungen wird in der Presse jemals Erwähnung finden. Hatte er nichts anderes zu sagen? Und wahrscheinlich wird eine solche Danksagung im Rahmen der einführenden oder abschließenden Worte des Theatertreffens im Mai erneut erfolgen – auch mehr Sinn machen. Das wird so genügen. Warum auch hier?
- Weiter: Matthias Pees war nicht imstande, auch nur ein freies Wort zu sprechen. Er hatte den festen Text auf Papier vor sich liegen und blickte im Grunde nur emotionslos auf sein Papier. Er hätte auch ein Polizeibericht vorlesen können. Thema der einführenden Worte von Matthias Pees hätte doch eher sein können: Wie war aus seiner Sicht – und aus Sicht der Jury – das Theaterjahr 2022/23 bis heute? Aber nein.
- Und: Auch alle anderen Redner dieser Veranstaltung – zunächst die Jurymitglieder – lasen ihre sorgsam vorbereiteten Texte – die jeweilige Begründung der Auswahl – brav vom Papier ab. Ebenso die polnische Kulturmanagerin Joanna Nuckowska und die Ukrainerin Olega Apchel, Mitglieder des neuen „internationalen Leitungsteams“: Auch sie lasen ihre Erläuterungen der neuen Elemente des Theatertreffens – einer Reihe von die Stücke begleitenden „Treffen“ auf dem Theatertreffen – nur vom Blatt ab.
- Oder: Klar, sie lasen in polnischer Sprache, völlig in Ordnung. Die Simultanübersetzung aber, die zu hören war, war dabei alles andere als glücklich gewählt. Sie vermittelte einen extrem gelangweilten Eindruck vom gesprochenen Text. Noch dazu völlig emotionslos, noch emotionsloser, als der Text ohnehin schon gesprochen oder gelesen wurde.
- Nun: Ich jedenfalls habe auch die wirren Erläuterungen zu den einzelnen neuen Formaten, den „Treffen“, überhaupt nicht verstanden. So hat auch keiner oder keine der PressevertreterInnen auch nur eine einzige Frage zu diesen neuen Formaten gestellt.
- Dann noch: Das Leitungsteam wird genannt „internationales Leitungsteam“. Andererseits wurde immer vom künftig „transnationalen“ Charakter des Theatertreffens gesprochen. Wo der Unterschied zwischen „international“ und „transnational“ liegt, liegen soll, ist mir nicht ganz klar geworden. Auch wurde überhaupt nicht angesprochen, ob es jährlich bei der Kooperation Deutschland/Polen bleiben wird, oder ob jedes Jahr – etwa wie bei der Frankfurter Buchmesse – ein neues Partnerland gesucht werden wird.
- Weiter: Auch die Kameraführung des Streamings der Pressekonferenz warf Fragen auf: Als zu Beginn die zehn Jurymitglieder kurz persönlich vorgestellt wurden, schwenkte die Kamera nicht ein einziges Mal zu der jeweils genannten Person. Als hätte die Kameraführung auch gar nicht gewusst, wen sie hätte einblenden sollen.
- Ich fragte mich auch: Warum waren die Pressevertreter überhaupt live erschienen? Man hätte alles online ansehen können, hätte sich die Texte geben lassen können. Vor allem nutzten die circa 30 Pressevertreter die Möglichkeit, irgendwelche Fragen zu stellen, nicht im Geringsten aus! Sie saßen alle stumm und fast hörig da, wie in der Sowjetunion. Es kam zu zwei (!) kleinen Fragen, mehr nicht. Und diese Fragen wurden auch noch unvollständig beantwortet.
- So: Eine Pressevertreterin stellte die verständliche Frage, warum das Stück „Nora“ (Münchner Kammerspiele) in die 10er-Auswahl kam, ohne das Begleitstück „Die Freiheit einer Frau“ auch zu bringen. Schließlich handelt es sich bei diesen beiden Stücken um ein Double Feature an den Münchner Kammerspielen. Die Antwort des Jurymitglieds Sabine Leucht war eine Farce. Das Stück „Die Freiheit einer Frau“ würde nichts zum Stück „Nora“ „beigtragen“. Was ist das denn für eine Begründung? Sollte das zweite Stück der Double Feature etwas zum ersten Stück beitragen? Ganz im Gegenteil! Dieses Double Feature – ich habe es gesehen – lebt gerade durch den Kontrast der beiden Stücke, jedes Stück hat dabei eine eigene Bedeutung für das jeweils andere Stück! Sie leben zusammen! Aber nein, eine Nachfrage der Pressevertreterin zu dieser seltsamen Antwort gab es nicht. In der Süddeutschen Zeitung (Peter Laudenbach) heißt es dazu heute zurecht: „Werden in Zukunft einfach die besten Szenen eines Abends eingeladen…?“.
Was für eine Pressekonferenz! Theaterbegeisterung geht anders! Man hat vor dieser Pressekonferenz auch offenbar überhaupt nicht nachgedacht! Matthias Pees bedankte sich am Ende noch beim Leitungsteam und bei den Jurymitgliedern …
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