L7L steht für „Los Siete Locos“, den Titel des Romans „Die Sieben Irren“ des Argentiniers Bernardo Arlt, zu dem es derzeit an den Münchner Kammerspielen eine Inszenierung gibt. L7L ist hier das Logo eines Geheimbundes von sieben „Irren“.
„Die Sieben Irren“ ist ein argentinischer Großstadtroman aus dem Jahre 1929 – in Argentinien ein Klassiker, der mit „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin (etwa gleiche Zeit) verglichen wird. Die Inszenierung in München bringt das Kürzel L7L im Titel der Inszenierung: „L7L – Die Sieben Irren“ heißt sie.
Die Münchner Kammerspiele haben sich der Internationalisierung verschrieben. Um das Programm der Münchner Kammerspiele vor allem verstehen zu können, muss man allerdings im Grunde vielsprachig begabt sein. Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch (vermute ich) … auch Schriftzeichen anderer Sprachen (Griechisch, kyrillisch …) werden gerne einmal verwendet. Ob das andererseits einer „Öffnung des Theaters“ für Menschen, die nicht so oft ins Theater gehen, gerecht wird, kann ich nicht beurteilen, vielleicht lockt es jüngere Menschen. Es kann aber auch recht ratlos zurücklassen … Trotzdem: Der Ansatz/die Idee der Internationalisierung ist jedenfalls nicht nur wertvoll, interessant, öffnet den Blick, es ist auch hilfreich und notwendig.
Es ergab sich nun jedenfalls, dass der argentinische Romanklassiker „Die Sieben Irren“ von Roberto Arlt aus dem Jahre 1929 an den Münchner Kammerspielen (Therese-Giese-Halle) auf die Bühne gebracht wurde und gebracht wird. Von anderen Aufführungen dieses Romans auf deutschen Bühnen ist mir nichts bekannt. Haben wir hier die Deutschlandpremiere?
Es ist allerdings nun nicht so, dass hier ein[e] deutsche[r]/europäische[r] Regisseur/Regisseurin diesen argentinischen Romans auf die Münchner Bühne bringt. Es ist ein ARGENTINIER, Alejandro Tantanian. Ich erinnere mich kurz an eine Inszenierung der Münchner Kammerspiele von vor einigen Jahren (etwa vor vier Jahren): Der IRANER Koohestani hatte damals den ENGLISCHEN/WESTLICHEN absoluten Klassiker „Macbeth“ von William Shakespeare auf die Bühne der Kammerspiele gebracht. Das war ein voller Clash der Kulturen. Die islamische Welt und die westliche Kultur. Hier nun – im Fall von „L7L – Die Sieben Irren“ – ist der Clash nicht ganz so erheblich. Für einen ARGENTINIER ist der Roman „Die Sieben Irren“ von Roberto Arlt ein Heimspiel, ein Klassiker wie etwa der Roman „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin für einen Deutschen.
Man müsste auch durchaus scharf überlegen, worin Besonderheiten oder Spezialitäten einer argentinischen Inszenierung von „Die Sieben Irren“ liegen könnten. Vielleicht am ehesten im interessanten, fast chaotisch und vielschichtig liebevoll gestalteten Bühnenbild, einer Art „Werkstattsituation“ in der ohnehin werkstattähnlichen Therese-Giese-Halle. Das Bühnenbild wurde von der in ARGENTINIEN geborenen Italienerin Oria Puppo entworfen. Oder im Zusammenspiel von Schauspiel und Film/Video – was an sich nichts Neues ist, hier aber sehr schöne verschiedene Einsätze findet. Nicht nur, dass teilweise eine Handkamera auf der Bühne im Einsatz ist, es sind auch viele großflächige Videoszenen im Hintergrund des Bühnengeschehens oder über der Bühne zu verfolgen, teils auf mehreren kleinen Videoflächen. Auch irgendwie chaotisch, aber immer auch kreativ zugleich.
Etwa, wenn eine Zeit lang nur minimal zeitversetzt eine Probenfassung des Abends hinter dem Bühnengeschehen in Schwarzweißaufnahme stumm auf ganzer Bühnenbreite mitläuft. Man sieht so zwei Fassungen von Szenen, passend zur gewollten Zeitneutralität der Herangehensweise an das Thema in dieser Inszenierung.
Und „schon“ bin ich beim Inhalt des Abends: Es geht zwar im Roman um verrückte Menschen im Grossstadtwirrwarr von Buenos Aires in den Zwanzigerjahren. Vergangenheit in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg. Eine Gruppe, die eine revolutionäre Zelle bildet und einen Umsturz anstrebt. Hier in München an den Kammerspielen wird dagegen in verschiedener Hinsicht versucht, das Entstehen revolutionärer Zellen („faschistischer“ Zellen, was ja zunächst allgemein „Bündnis“ bedeutet) allgemeiner zeitlos zu greifen. Es ist ja immer wieder aktuell, siehe zuletzt „Sturm aufs Kapitol“ oder „Reichsbürger“. Deshalb heißt der Abend hier an den Kammerspielen im Untertitel „Ein Projekt von Alejandro Tantanian und Oria Puppo“. Die Namen der Personen des Romans sind für die Inszenierung auch geändert. Die Frage soll nämlich allgemein lauten: Wie kommt es zu solchen „Bündnissen“?
Es geht im Stück viel um gedemütigte und erniedrigte Menschen. Zusätzlich kommen bei jedem dieser Sieben Irren persönliche Befindlichkeiten dazu. Befindlichkeiten, die natürlich sensibel machen, sich dem Bündnis anzuschließen. Wut, Traurigkeit, Idealismus…
Der Roman bringt dabei viele allgemeine Lebensweisheiten, die nicht sofort politisch in Richtung Umsturz gedeutet werden können. Es sind Lebensweisheiten, auch wenn sie recht düster sind. Ich wollte mir diese Lebensweisheiten und den Text insgesamt bei einer zweiten Vorstellung heute, Mittwoch, 14. Dezember, noch einmal anhören, die Vorstellung fällt leider aus.
So schreibe ich hier zunächst diesen recht allgemein gehaltenen Beitrag und werde ihn nachträglich ergänzen. Wahrscheinlich aber erst nach Neujahr.
HIER noch der Link zu einer Besprechung des Romans in damals neuer Übersetzung seitens des Deutschlandfunks aus 2018.
HIER der Link zur Stückeseite auf der Website der Münchner Kammerspiele.
Copyright des Beitragsbildes: Judith Buss
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