Wer in den – immer wieder beeindruckenden – Räumen im Haus der Kunst München mit einer Performance in sehr besonderer Weise Ruhe und Stille und Langsamkeit und Gelassenheit und Zeit und Akustik UND die persönlichen Erfahrungen des Künstlers, die seine Klangperformance geprägt und ausgelöst haben, erleben möchte, hat heute Abend noch die Gelegenheit: Eine Performance von JJJJJerome Ellis. Heute, Sonntag, 24. Juli 2022, 20.00, Dauer etwa 1 Stunde. Ein Zusammenspiel von Saxophon, Klavier, Synthesizer, Hackbrett und Stimme in einer der schönen Hallen des Hauses der Kunst.
HIER der Link zur Ankündigung der Performance auf der Website des Haus der Kunst. Wer es nicht mehr geschafft hat, zu spät liest oder Ähnliches, kann über diesen Link wenigstens ein bisschen hinein hören.
TUNE ist eine Reihe von kurzen “Sound Residencies“ im Haus der Kunst. Jeden Monat erhält ein Künstler/eine Künstlerin im Haus der Kunst Gelegenheit, seine Arbeit und seine sehr spezielle Herangehensweise an Sounds darzustellen. HIER der Link zur Seite des Programms TUNE auf der Website des Haus der Kunst.
Was JJJJJerome Ellis spielt, kann man kaum Musik nennen, es sind Töne, Klänge, die in die Stille fallen. Es sind keine Musikstücke, die man hört. JJJJJerome Ellis sagt, seine Kompositionen sind wie Springbrunnen, ohne Ende und ohne Anfang, fließend, sprudelnd. Man kann lange davor stehen, man kann kurz davor stehen. Sie entwickeln eine sehr besondere Qualität.
Vor allem haben seine Kompositionen sehr persönliche Ausgangssituationen: ZUM EINEN: JJJJJerome Ellis ist Stotterer, der die Momente des beginnenden Stotterns durch Innehalten des Redens umgeht. Es entstehen Sprechpausen. So entsteht immer wieder eine Ruhe, Stille, aber auch ein besonderes Bewusstsein und eine Beziehung zu ihm und von ihm zum Gesprächspartner, zur Umgebung… JJJJJerome Ellis hat dadurch gelernt, das Besondere dieser Ruhemomente mit Sounds deutlich zu machen und generell die sehr besondere Qualität von Stille zu erkennen. Man merkt seinen Kompositionen von Beginn an an, dass gewissermaßen hinter jedem Ton die Stille steckt. Ohne Stille kein Ton! Rhythmus und Takt würde diese Beziehung zwischen Stille und Ton überdecken. Man würde nur noch einem Musikstück zuhören. Das Fehlen von Rhythmus und Takt legt die Töne frei, der Klang fällt in die Stille, ohne in ein Musikstück eingebunden zu sein. JJJJJerome Ellis ist in seiner Herangehensweise übrigens nicht weit entfernt von dem Thema, das ich letztlich mit dem Buch VITA CONTEMPLATIVA vorgestellt hatte. HIER der Beitrag.
ZUM ZWEITEN: In der Performance im Haus der Kunst geht es speziell darum, dass die Vorfahren von JJJJJerome Ellis Sklaven waren. Er greift Berichte über die Flucht eines (mehrerer?) Sklaven in West Virginia auf. An diese Flucht erinnert JJJJJerome Ellis mit seiner Komposition. Der Sklave (die Sklaven) werden von ihm nachträglich durch die Komposition sehr speziell geehrt, gewürdigt. Er „singt“ (besser: “gibt sie dazu“) mit melancholischer Stimme nur die Namen von „einer Handvoll“ Pflanzen, die wohl auf den Wegen des/der Sklaven auf ihrer Flucht zu finden waren. So hört man sehr besondere Sounds und ist sich des Grundes der Sounds bewusst.
Sehr schön, sehr besonders und wunderbar!
Hier ein Foto vom Abend:

Die nächsten Veranstaltungen der Reihe TUNE:
- Emir Timur Tokdemir und Tove Agelii: Emiranda: 23–26.9.22
- Caterina Barbieri: 28–29.10.22
- Okkyung Lee: 25–26.11.22
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