Es ist schon ein paar Tage her, am vergangenen Donnerstag den 15. April war die Onlinepremiere. Ich sehe noch keine weiteren Termine in der Planung des Schauspielhauses Zürich, es wird aber sicherlich nicht bei dieser einen Aufführung bleiben. Leonie Böhm hat wieder etwas inszeniert, diesmal zusammen mit dem Schauspieler Lukas Vögler. Er ist es auch, der den Monolog hält, dem man folgen konnte.
Der Monolog geht zurück auf das bekannte Drama „Drei Schwestern“ von Anton Tschechow. Gerade erst hatte Leonie Böhm am Schauspielhaus Zürich das Stück Medea* inszeniert. Auch das war weitgehend ein Monolog. Wie üblich, hat Leonie Böhm auch hier, bei „Schwestern“, nicht das Interesse, die Handlung des Dramas „Drei Schwestern“ irgendwie wiederzugeben. In Monologform natürlich erst recht nicht. Nein, es werden wieder einzelne Gedanken aus dem Drama Drei Schwestern herauskristallisiert. Diesmal sind diese Gedanken sogar nicht einmal deutlich im Roman angelegt. Es geht um den Gedanken: Braucht der Mensch einen anderen Menschen? Kann er nicht einfach aufwachen und sagen: Ja, das bin ich!
Es ist insoweit ein sehr aktuelles Thema, wahrscheinlich sogar aus der derzeitigen Situation heraus geboren. Inwieweit brauchen wir andere Menschen? Wir müssen uns wegen Corona zurückziehen, wir müssen uns isolieren, wir haben kaum Gelegenheiten, uns mit anderen Menschen zu konfrontieren. Lukas Vögler spricht es zu Beginn seines Monologes auch deutlich an: Auch der Zuschauerraum des Theaters ist leer!
Lukas Vögler spricht als Bruder der Drei Schwestern. Auf der Bühne ist nichts außer ihm und ein riesiger schwarzer Panther. Er selbst, Lukas Vögler, mit langen Haaren, Haaren, die bis über die Hüfte hinunter gehen, siehe das Beitragsbild oben. Er soll nicht irgendwen verkörpern, er steht für alle, undefiniert. Der Panther geht zurück auf das bekannte Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke. Es ist ein so genanntes Dinggedicht, ein Gedicht des Naturalismus, es beschreibt einfach den – einsamen und gefangenen – Panther. Und der Leser – beziehungsweise hier der Zuschauer – kann sich seine Gedanken machen, kann überlegen, was die Situation des Panthers mit der Situation des Menschen zu tun hat. Das Gedicht:
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein. Der Panther sieht nur Stäbe, auch die nicht mehr! Aber der Wille und das Herz! Das hat auch der Panther! Lukas Vögler verschwindet gegen Ende seines Monologs im Rachen des Panthers - so ist es gemeint.
Die Drei Schwestern, die bekanntlich abseits von Moskau leben, drehen sich bekanntlich im Kreis, Jahre vergehen. Sie brauchen aber irgendetwas, an dem sie sich reiben, aufzehren (können). Sie brauchen auch andere Menschen, scheint Tschechow zu sagen, Liebschaften entstehen, das mag auch der Gedanke sein, der Lukas Vögler und Leonie Böhm antrieb. Der Mensch kann nicht alleine sein. Daher auch der von Lukas Vögler gesungene Song „Ohne Dich“, ein Song der Gruppe Rammstein. Der Monolog von Lukas Vögler ist keineswegs tiefsinnig, aber er steigert sich gegen Ende der Inszenierung. Keine schauspielerische Höchstleistung, aber das muss und soll garnicht sein. Die Inszenierung ist in gewisser Weise ein „Schnellschuss“, der auf unsere derzeitige Situation eingeht! Aber ein Schnellschuss, der nicht deprimiert, sondern den Zuschauer doch mit einem guten Gefühl hinterlässt, Lukas Vögler spielt keinen „Verlorenen“, der sich etwa aufgibt.
HIER Der Link zur Stückeseite auf der Website des Schauspielhauses Zürich.
Copyright des Beitragsbildes: Gina Folly
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