Wie bewegt man sich, wenn man seine Geschichte durch Bewegung erzählen will? Wie würde ich mich etwa bewegen, wenn ich in – sagen wir – zehn Minuten mein „Jahr 2020“ darstellen sollte. Eine schöne Aufgabe für Silvester!
Für Cristina D’Alberto wäre es sicherlich eine durchaus gängige Vorstellung. Sie ist Choreografin und Performerin, kommt aus der Tanzszene. Geboren ist sie in Turin, hat einige Jahre in Florenz gelebt und lebt seit 2015 in – oder bei – München.
HIER ihre schöne schlichte Website, auf der man viele Details ihres interessanten und intensiven jungen Tanzlebens sehen kann. Sie ist einige Jahre um die Welt getourt und ist hier in München unter anderem Dozentin an der „Iwanson international dance school“.
Sie ist auch die Choreografin des Abends, den ich nun im Schwere Reiter gesehen habe. Eine so schön unspektakuläre freie Spielstätte. Aktuell wird gegenüber der Halle am Leonrodplatz eine neue Spielstätte gebaut, die das Schwere Reiter ab Herbst 2021 beherbergen soll.
Sara, Robert, Lotta, Hillel sind die Vornamen der ProtagonistInnen des Abends in Cristina D’Albertos Tanzperformance „Anthologie/Blütenlese“. Es sind aber auch die Vornamen der MünchnerInnen, die für dieses Projekt interviewt wurden. Es sind ihre Lebensgeschichten, die hier ohne Worte auf die Bühne kamen. Schon das Bühnenbild zeigt, dass es sich um eine sensible Herangehensweise an vier verschiedene Leben handelt.
Von oben würde man vier in vier Richtungen offene Räume sehen, die durch ein zentral auf der Bühne stehendes Kreuz entstehen. Vier zweimannhohe Trennwände, doppelwandig. schlanke Metallrahmen mit leicht durchsichtiger Gaze, zu besagtem Kreuz zusammengestellt, in sanften Farben bespannt. Man kann so fast allen vier TänzerInnen zusehen – die Zuschauer sitzen um die „Bühne“ herum -. Die TänzerInnen halten sich wechselnd jeweils immer in einem der vier „Räume“ auf – man kann von allen etwas erkennen, sofern nicht ruhige Videoaufnahmen von sich bewegenden Naturbildern – Mustern fast nur – auf die Gazeflächen projiziert werden. Das Kreuz wird später aufgelöst, die vier „Lebensgeschichten“ kommen so zusammen.
Natürlich erkennt man nicht konkrete Lebenssituationen, es geht ja nicht um Pantomimik. Die Situationen werden durch Tanz ausgedrückt. Man kann sich treiben lassen, man erkennt, dass eben jedes Leben seinen eigenen Ausdruck finden kann und muss. Man wird angeregt, sich zu den Bewegungen etwas zu denken, sich irgendwie Passendes vorzustellen. Im Programm heißt es, so stehe der Ausdruck durch Tanz im Kontrast zum glitzernden Bild, das man heutzutage so oft von sich ins Internet stellt. Im Kontrast zur Vereinheitlichung auch. Auffallend vielleicht: Es war vielleicht mehr Schmerz, waren mehr Probleme als Freude, die durch die Bewegungen dargestellt werden konnte und musste. Aber auch das hatte in der Darstellung Angenehmes, nicht Leidendes. Angenehm, weil es individuell war. Fast schon ungewöhnlich ohnehin, nicht an Vereinheitlichung zu denken. Deshalb hatte es sich gelohnt.
Copyrght des Beitragsbildes: Gabriela Neeb
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