Anke Stelling hatte 2019 mit ihrem Roman „Schäfchen im Trockenen“ den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen. Sie stammt aus Ulm und lebt in Berlin. 2015 war ihr Roman „Bodentiefe Fenster“ auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis.
Meine Bewertung für „Schäfchen im Trockenen“: 7 Punkte (von 10)
Am 24. Februar kann man Anke Stelling – HIER ihre Website – an den Münchner Kammerspielen – in Kammer 3 – erleben. In der kleinen Reihe „Episode“ – Gespräche über Filmserien – spricht sie mit Eckehart Kröner (Mitherausgeber und Redakteur der Zeitschrift „Merkur“) über die Netflixserie „The Crown“.
Worum es in „Schäfchen im Trockenen“ geht? Ich würde sagen: Ihr Idealismus, Sturheit, dann der Lebensstandard anderer, entstandene Unterschiede im Freundeskreis, Ehrlichkeit, Familienalltag einer Mutter von vier Kindern.
Die Protagonistin Resi, Mutter von vier Kindern. Sie spricht im Roman „Schäfchen im Trockenen“ mit ihrer 14-jährigen Tochter Bea, der Ältesten. Ihr erklärt sie alles: Das Dilemma mit dem langjährigen Freundeskreis, ihr groß gewordener Abstand zu diesem Freundeskreis, ihre Einstellungen zu vielen Dingen, ihre Lebenssituation, das frühere Verhältnis zu ihren Eltern, ihre Absichten mit ihren eigenen Kindern, etc.
Ja, um den gewachsenen Abstand zum alten Freundeskreis, um die „Unterschiede“ der Leben – alle waren doch mal so gleich! – , darum geht es. Zwei Aufhänger gibt es:
- Erstens: Resi und ihr Mann hatten als Einzige nicht bei der Baugemeinschaft der Freunde mitgemacht – ein alter WG-Gedanke der Freunde.
- Zweitens: Resi hat jetzt noch dazu einen Roman veröffentlicht, in dem sie (nach Auffassung der alten Freunde) offenbar viel zu deutlich mit den Freunden abrechnet. Mit der Baugemeinschaft etc.
„Schäfchen im Trockenen“ heißt der Roman dabei wohl deswegen, weil Resi an ihren Freunden beklagt – nicht nur das -, dass sie trotz all der früheren idealistischen Pläne und der Idee der Gleichheit aller jetzt nur noch dem Gefühl folgen: „Wir bringen unsere Schäfchen ins Trockene!“. Sie kritisiert es nicht nur, vielleicht beneidet sie es auch. Das bleibt etwas offen, sie sagt selber sinngemäß: „Nichts ist eindeutig“.
Resi hat eine andere Lebenseinstellung erhalten, als ihre Freunde. Es muss nicht alles nach „Standard“ laufen. Die in der Jugend erdachte Gleichheit hat sich nicht verwirklicht. Man driftet auseinander. Das will sie ihrer Tochter klarmachen, will ehrlich sein, Erfahrungen weitergeben. Sie ist ja irgendwie übrig geblieben. Auch sich selber gegenüber will sie ehrlich sein. Oft redet sie in diesem Zusammenhang auch über ihre Eltern, die ihr viel zu viel vom Leben verschwiegen hätten.
Es hat sich eben im Lauf der Jahre „die Spreu vom Weizen getrennt“. Resi lebt finanziell mit Ihrem Mann und den vier Kindern am – naja – eher unteren Rand des Möglichen. Auch über Sven, ihren Mann, redet sie. Jetzt muss die Familie auch noch die schöne Wohnung in Berlin Prenzlauer Berg verlassen, nach Marzahn rausziehen. Keine teure Urlaubsreise etc. im Gegensatz zu ihrem alten Freundeskreis und den Klassenkameraden von Bea. Die normalen Themen. Die Freunde von Resi haben zum Teil reich geerbt und sich eben auf ein eher standardmäßiges Familienleben eingerichtet. Schäfchen im Trockenen! Resi hat sie nicht im Trockenen, die „Schäfchen“, also ihr Leben, sie muss kämpfen.
Über diese Distanz, diese Ungleichheiten, ihre Ursachen, das Verhalten der Freunde, all das, darüber denkt sie nach. Überlagert wird alles ständig vom unaufhaltsamen banalen Alltagsleben einer Mutter mit vier Kindern.
Die Sprache:
Die Sprache des Romans ist literarisch nicht „hochwertig“, eher der Situation von Resi und ihrer Familie angepasst, das passt auch gut. Viele kurze Gespräche, klare kurze Überlegungen. Es ist eine einfache, natürliche Sprache. Das macht den Roman glaubwürdig, schließlich wird Resi immer wieder unterbrochen vom stressigen Alltag ihres Familienlebens. Wie es eben so ist, wie wir es wirklich kennen! Gesehen und erlebt von der Mutter! Die Sprache folgt ihren – modernen – Alltagsgedanken.
Insgesamt ist es ein fast amüsanter Blick auf die Tatsache, dass sich Leben unterschiedlich entwickeln und dass sich die entstandenen Unterschiede gerade im Freundeskreis bemerkbar machen. Freundschaft hin oder her. Idealismus hin oder her. Resi ist stolz auf ihre „Hartnäckigkeit“ – oder zweifelt sie? Es geht um die ständige Verschränkung von Idealismus einerseits und finanziellem Lebensstandard andererseits.
Sieben Punkte vergebe ich, weil einerseits das Alltagsleben von Resi und ihre Probleme, ihre Gedanken, schön verpackt sind, es ist leicht zu lesen, es mir aber etwas zu uneindeutig blieb. Aber das sagt Resi andererseits schon in den ersten Sätzen des Romans zur Tochter: „Es gibt keine Eindeutigkeit.“
Während des Lesens habe ich wieder eine Word-Übersicht zu den erscheinenden Personen erstellt. HIER der Link. Mit WORD öffnen und ansehen!
HIER der Link zur Seite des Buches auf der Website des Verbrecher Verlags.
Und HIER eine Rezensionsübersicht auf http://www.perlentaucher.de.
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