Es kann Kultstück in München werden. Die Münchner Kammerspiele haben ja seit einiger Zeit das 10 – Stunden – Kultstück „Dionysos Stadt“, am Residenztheater könnte es nun meines Erachtens – unter der neuen Intendanz von Andreas Beck – die Inszenierung „Die drei Musketiere“ werden.
Am Sonntag war Münchner Uraufführung von „Die drei Musketiere“, im Cuvilliéstheater. Die Inszenierung wurde vom Theater Basel übernommen, Andreas Beck wechselte ja vom Theater Basel nach München. Eine Inszenierung des italienischen Regisseurs Antonio Latella, nach dem weltbekannten Roman von Alexandre Dumas. Vier Schauspieler, eine leere Bühne, die Tiefe des Raumes, das Publikum, das reicht.
Die zweite Premiere unter der Intendanz von Andreas am Münchner Residenztheater war es. Die erste Premiere – „Die Verlorenen“ – war am vergangenen Samstag, ich schreibe in Kürze darüber.
Warum Kultstück?
- Zum Einen: Es wird auf wunderbare Art und Weise so viel geboten, die Schauspieler – Michael Wächter, Max Rothbart (oder Elias Eilinghoff), Vincent Glander und Nicola Mastroberardino – verausgaben sich, man verlässt das Theater einfach gut gestimmt. Es geht nicht anders. Es ist kein schweres Stück, kein mit tiefgehendem Inhalt überladenes Stück. Man geht hin und wird – im Sinne der alten commedia dell‘ arte – köstlich unterhalten. Es geht nicht darum, die allen irgendwie grob bekannte Geschichte der drei Musketiere auf die Bühne zu bringen. Es sind auch nicht drei Musketiere, es sind vier. Vier Schauspieler auf der leeren Bühne.
- Es gibt keine Dialoge zwischen den Schauspielern. Es entwickeln sich nicht Beziehungen untereinander, nicht Charaktere. Darum geht es nicht. Sie sprechen als Diener, sie sprechen als die Pferde der Musketiere. Mit Witz, Ironie und Verausgabung.
- Das große Thema ist das hehre Wort „Einer für alle, alle für einen“. Ein völlig veralteter Spruch, könnte man sagen. Die Musketiere eben. Die Schauspieler agieren mal jeder für sich, mal alle zusammen. Ein ständiges Spiel mit der Gemeinschaft. Sie lösen sich voneinander, stehen nebeneinander, wechseln die Position, treten hervor, rennen hervor, kämpfen gegeneinander, singen zusammen, singen einzeln. Schon wie sie die Bühne betreten … und verlassen.
- Passend zu München ist auch: Die Inszenierung hat bei alledem eine schöne ganz leichte Beimischung von Südländischem, Österreichischem, Schweizerischem und Italienischem.
Und bei alledem der thematische Grundgedanke: „Einer für alle, alle für einen“: Man schaut sich nicht Quatsch an. Der Grundgedanke ist doch aktuell, durch sein Verschwinden! Er trifft unsere Zeit, scheint nicht mehr zu gelten. Heute gibt es etwa überall sogenannte „Doppelspitzen“. „Einer“ allein kann nicht mehr „alle“ repräsentieren. Oder das Thema Europa: „Alle für einen?“ Für einen Gedanken? Heute nicht mehr. Individualismus, Nationalismus steht heute auf dem Programm. Im Programmheft spricht Antonio Latella diese Entwicklung der modernen Zeit an.
„Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas repräsentierten noch den Gedanken: „Wir gehören zusammen, wir folgen einer Idee, wir stehen zueinander, wir setzen uns ein dafür“. Es war noch die Zeit, in der man sogar für Kleinigkeiten sein Leben aufs Spiel gesetzt hat.
Vieles wird in dieser Inszenierung mit leichter Ironie angesprochen, spielerisch, aber mit dem Touch in die Gegenwart. Es werden aber nicht irgendwelche Lösungen präsentiert. Auch darum geht es nicht. Es geht um die Gemeinschaft, das Ausgrenzende, das Verbindende. Und es steigert sich zu einem furiosen Finale, die „Schlusssvorhänge“ – jedenfalls am Premierenabend, aber ich vermute, dass es immer so sein wird. Dafür spricht schon der Bezug zur lockeren commedia dell arte.
Durch die Leichtigkeit im Umgang mit dem großen Gedanken kann es Kult werden, das Stück. Man muss ja nicht immer alles bitterernst sehen.
HIER der link zur Seite des Stückes auf dem Portal des Residenztheaters
Copyright des Beitragsbildes: Sandra Then
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