Seit ich „Wäldchestag“ von Andreas Maier vor vielen Jahren (2002 erschienen) zum ersten Mal gelesen hatte, habe ich alle weiteren Bücher von Andreas Maier gelesen. Und das sind mittlerweile einige.
Er ist einer meiner Lieblingsautoren geworden. Ich mag unaufgeregte Geschichten, nichts Gestelztes, das einfache Lebens, das dann durch eine irgendwie besondere Sichtweise interessant geschildert wird. Es steckt ja im Grunde immer alles in allem, auch in kleinsten und banalsten Situationen.
Andreas Maier liest sich in diesem Buch „Wäldchestag“ auch ein bisschen wie Thomas Bernhard. Thomas Bernhard hatte ja eine ähnliche Herangehensweise: Nichts passiert, aber Thomas Bernhard konnte darüber höchst vorzüglich schreiben.
Er hat über Thomas Bernhard promoviert. Er schreibt also – früher tatsächlich manchmal an Thomas Bernard erinnernd, mittlerweile mit einem sehr eigenen Stil – köstlich über banale Einzelheiten, die viele LeserInnen wahrscheinlich genau so erlebt haben werden. Jeder geht ja einmal über eine Straße.
Andreas Maier stammt aus der Wetterau in Hessen, der Begriff „Wäldchestag“ kommt von „Wald“, es ist ein jährliches Waldfest in der Nähe von Frankfurt!
Anfangs hatte Andreas Maier in seinem schriftstellerischen Tun noch die Wetterau als Ort des Geschehens seiner Romane verlassen. Der (ebenfalls sehr köstliche) Roman Klausen spielt im norditalienischen Ort Klausen neben der Brennerautobahn. Der spätere Roman Sanssouci spielt in Potsdam.
Im Lauf der Jahre hat sich Andreas Maier schriftstellerisch mehr und mehr in die Wetterau zurückgezogen. In einer Reihe von elf kleinen Büchlein erzählte er in den letzten Jahren über seine dortige Kindheit und Jugend. Ein bisschen auch über sein Studium in Frankfurt. Die Reihe ist noch nicht ganz abgeschlossen.
HIER der Link zur Autorenseite von Andreas Meyer beim Suhrkamp Verlag.
In dem Roman „Wäldchestag“ geht es um den alten Sebastian Adomeit, einen intellektuellen Einzelgänger, der in Niederflorstadt in der Wetterau lebte und nun dort gestorben ist. Alle sind aufgeregt und verärgert, da seine Beerdigung ausgerechnet am Pfingstmontag und die Testamentseröffnung am Pfingstdienstag, dem „Wäldchestag“, stattfinden. In den Gesprächen der Beteiligten, denen man folgt, geht es immer wieder um Gerüchte über den Sonderling Sebastian Adomeit, der als Konsumverweigerer in gewisser Weise immer neben dem üblichen Geschehen im Dorf lebte. Niemand kannte ihn richtig, viele meinen aber, ihn doch gekannt zu haben oder interpretieren ihn. Und man verfolgt das ständige Gerede der Einwohner übereinander, jeder wundert sich Im Grunde immer wieder über den anderen, man versteht ja den „anderen“ nie.
Der Roman ist schon deshalb besonders, weil er von Beginn an bis zum letzten Wort (Seite 315 der Taschenbuchausgabe) in indirekte Rede, im Konjunktiv, geschrieben ist. Wie etwa: „Er habe dann gesagt, er sei müde, und sei gegangen. Zuhause habe er noch ein Bier getrunken“ oder ähnlich. Alles wird erzählt aus Sicht eines Bekannten von Adomeit, dem Antragsteller.
Und das Buch ist besonders, weil es in diesem Buch keinen einzigen Absatz gibt. Es sind drei Kapitel, alle sind aber komplett ohne Absatz durchgeschrieben. Man könnte meinen, das sei beschwerlich. Ist es aber nicht.
Das Buch entwickelte sich auch jetzt wieder bei mir geradezu zu einem „pageturner“, obwohl es wahrlich nur um Banalitäten geht. Man will wissen, was im Testament von Sebastian Adomeit steht. Man erfährt es erst auf den letzten Seiten. Man will wissen, was alles bis zur Testamentseröffnung passiert – oder nicht passiert, wer was denkt usw.
Auch das ist dabei köstlich: In den banalste Szenen und Gespräche werden immer wieder die weisesten Weltanschauungen der verschiedenen Beteiligten geäußert.
Für mich war es also wieder eine Lesefreude!
Hier eine Leseprobe:

Und HIER der Link zur Buchseite von „Wäldchestag“ beim Suhrkamp Verlag.
Comment
Tolle Besprechung, vielen Dank dafür Max! Als gebürtiger Hesse aus dem Marburger Land und eingefleischter Thomas Bernhard Fan hast du bei mir gleich zwei Knöpfe gedrückt-:) ich habe das Buch schon bestellt.