Man hörte in diesen Tagen wieder etwas weniger davon. In den letzten Monaten wurde im Iran recht heftig gegen das islamische Regime und für Frauenrechte, aber auch allgemein für mehr Menschenrechte demonstriert. Auslöser der Demonstrationen war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September.
Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich „unislamischen Outfits“ festgenommen. Was mit Amini danach geschah, ist unklar. Sie fiel ins Koma und starb am 16. September in einem Krankenhaus. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben.
Dann kam es zu Demonstrationen. Und dann veröffentlichte der junge iranische Musiker Schervin Hajipour einen Song, in dem er die Forderungen der hauptsächlich jungen Demonstrierenden musikalisch zusammenfasst.
Den Songtext hat Schervin Hajipour aus Online-Kommentaren von iranischen Demonstranten zusammengesetzt, in denen sie begründen, warum sie auf die Straße gehen. „Für die Sehnsucht nach einem normalen Leben, für Tanzen auf den Straßen, für Küssen ohne Angst, für die verrosteten Köpfe“, lauten Teile des Songs.
Das Lied wurde rasant zur inoffiziellen Hymne der Proteste im Iran. Es wird mittlerweile weltweit gehört. Wenige Tage nach Veröffentlichung wurde der 25-jährige Schervin Hajipour festgenommen. Gegen eine Kaution kam er frei und distanzierte sich auf Instagram von seinem Song. Als Reaktion wurde auf Twitter vorgeschlagen dem Lied eine neue Zeile hinzuzufügen: „Wegen erzwungener Instagram Stories.“
Jeder sollte diesen Song hören, heißt es. Der Text des Liedes:
- Für das Tanzen auf der Straße
- Für die Angst sich zu küssen
- Für meine Schwester, deine Schwester und unseren Schwestern
- Für den Wechsel alter Werte
- Für die Scham, für die Armut
- Für die Sehnsucht nach einem normalen Leben
- Für ein Kind, das im Müll wühlt und seine Träume
- Für die korrupte Wirtschaft
- Für die Luftverschmutzung
- Für „ValiAsr“ und alle trockenen Bäume
- Für den Pirouz und sein mögliches Aussterben
- Für die unschuldigen verbotenen Hunde
- Für die Wiederholung solcher Momente und Bilder
- Für das Weinen ohne Ende
- Für ein lachendes Gesicht
- Für die Studierenden, für die Zukunft
- Für das aufgezwungene Paradies
- Für diejenigen, die im Gefängnis sind
- Für die afghanischen Kinder
- Für das wiederholende FÜR
- Für alle leeren Paroli
- Für den Schutt der billig gebauten Häuser
- Für den Seelenfrieden
- Für die Sonne nach langen Nächten
- Für Beruhigungspillen und Schlaflosigkeit
- Für den Mensch, das Heimatland und die Ortschaft
- Für das Mädchen, das sich wünschte ein Junge zu sein
- Für die Frau, das Leben, die Freiheit
- Für Freiheit
- Für Freiheit
- Für Freiheit
Baraje heißt „für“ und „wegen“.
Das Original des Liedes ist hier, zwei weitere Versionen siehe unten!
HIER noch der Link zu einem Artikel vom 04.11.2022 auf „Deutschlandfunk“, in dem weitere Musikbeispiele aus dem Iran genannt werden und verlinkt sind. Die Journalistin Natalie Amiri etwa sagte dem „Deutschlandfunk“: „All das, was die Islamische Republik dem Volk in den 43 Jahren ihres Bestehens angetan hat, kommt in dem Lied vor.“
HIER auch noch der Link zu einem Artikel des Bayerischen Rundfunks/Zündfunk ebenfalls zu diesem Lied mit weiteren Beispielen entsprechender iranische Musik.
Auch Coldplay spielte an zwei Abenden – am 29./30. Oktober 2022 – ein Cover dieses Liedes auf einem Konzert in Argentinien, das live in 81 Länder übertragen wurde. Den persischen Text – er ist vielleicht etwas verlängert, es sind ganze Sätze, es ist aber Zeile für Zeile derselbe Inhalt! Vielleicht singt Scherwin Hadjipour aber auch schon ganze Sätze in seiner Originalversion? – sang dabei die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani. Das Lied beginnt im Video bei Minute 1:40.
Die zweite Coverversionen hier: Eine meines Erachtens sehr schön gesungene englischsprachige Version der US-Amerikanerin Rana Mansour, deren Eltern aus dem Iran geflohen waren:
Leave A Reply