Im Grunde ist es ein Experiment: Kommunikation und Ausdruck bestehen für mich – in Kulturfragen – vorwiegend aus Texten und Worten: Theater … Literatur … Schreiben … Schriftliches. Gut, es gibt die bildende Kunst, „stumme“ Kunst. Aber Ballett – Ausdruck durch Körperbewegung, ohne Worte? Ist das Kommunikation oder “nur“ Eleganz? Selten versuche ich es, umso interessanter ist es! Denn natürlich ist Ballett Kommunikation und Ausdruck, vielleicht sogar eine weit unbegrenztere Möglichkeit des Ausdrucks, denn dem Ausdruck durch Worte sind schließlich sehr schnell Grenzen in der Wortwahl gesetzt.
Über John Neumeiers Inszenierung von “Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare eine „Kritik“ oder „Besprechung“ zu schreiben, hat dabei wahrlich nichts mit der Besprechung von etwas „Neuem“ zu tun. Die Inszenierung, die jetzt vom Bayerischen Staatsballett in München nach gut vier Jahren Pause wieder in das Programm aufgenommen worden ist, hatte im Jahre 1977 (!) in Hamburg Premiere! Allein in Hamburg hatte die Inszenierung bis heute deutlich mehr als 300 Aufführungen. Sie wurde im Prinzip weltweit aufgeführt. Ein Ballettklassiker.
Weitere Termine in München – bis zum Sommer – findet man HIER, über den link zur Stückeseite auf der Website des Bayerischen Staatsballetts.
Aber es ist in der Tat wunderbar, diese Inszenierung jetzt – mit minimalen Anpassungen durch John Neumeier im Lauf der vielen Jahre – gesehen zu haben. Während der Coronazeit der letzten beiden Jahre hat John Neumeier zu dieser Inszenierung sogar eine DVD aufgenommen, die seit fast genau einem Jahr im Handel erhältlich ist. So ginge es also auch.

Tippen Sie auf das Bild der DVD und sie werden verlinkt – auf eine Besprechung zur DVD!
Ehrlich gesagt: Viele Informationen zu John Neumeier und zur Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“ habe ich aus dem Programmheft und aus dem Internet. „Programmheft“ ist untertrieben, es ist ein „Programmbuch“! Wobei: John Neumeier ist mir natürlich ein Begriff, er verbrachte einen Großteil seines Lebens in Deutschland, Hamburg vor allem. Er zählt zweifelsohne zu den größten derzeit lebenden Ballettchoreografen der Welt. Die Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“ scheint auch gerade all das zu verkörpern, was ihn seit Jahrzehnten auszeichnet! „Ein Sommernachtstraum“ ist eine seiner bekanntesten und irgendwie vielleicht – vermute ich mal – “vollständigsten“ Inszenierungen! „Die Kameliendame“ ist seine wohl bekannteste Choreografie. Seit mehr als vier Jahrzehnten ist John Neumeier Ballettdirektor und Intendant des Hamburg Ballett. 1963 kam er nach Deutschland, geboren war er in den USA. Auch die Studienzeit verbrachte er in den USA.
Unsere Wege haben sich vor mehreren Jahrzehnten einmal gekreuzt! Ich hatte als junger Student in den achtziger Jahren ein Jahr meines Studiums in Lausanne verbracht. Dort gab und gibt es jährlich den „Prix de Lausanne“ für Nachwuchstalente im Ballett. Ich hatte ihn besucht und wer leitete ihn damals? John Neumeier!
Und wen holte John Neumeier dann als 14-jähriges Talent aus Lausanne in sein Ensemble nach Hamburg? Maria Baranova – sie, die jetzt wiederum hier in München im „Sommernachtstraum“ im Wechsel mit Ksenia Ryzhkova die tragenden Rollen der Hippolyta und der Titania spielt.
Nachfolgend eine Inhaltsangabe von William Shakespeares “Ein Sommernachtstraum“. Kurz gesagt: Während im Altertum der Liebesgott Armor Pfeile verschossen und damit Liebe ausgelöst hatte, geht es im Sommernachtstraum um Tropfen, die aus einer Blume in die Augen Schlafender getröpfelt werden und bei den Beteiligten Wirrungen auslösen. Wobei es sich bei den Wirrungen in der Inszenierung von John Neumeier im Grunde komplett um einen riesigen Traum von Hippolyta kurz vor ihrer Hochzeit handelt.

Es geht John Neumeier dabei (wie immer, wie man liest) nicht um eine „Nacherzählung“ von Shakespeare auf der Ballettbühne. Er will nicht nur erzählerisches Ballett machen, er will die Stimmung transportieren, Charaktere herausarbeiten. Wahrlich beeindruckend sind insoweit viele einzelne Szenen der Inszenierung. Immer getragen von einer immensen Eleganz. Etwa jeweils die Szenen in der Welt der Elfen!
Hier ein Ausschnitt aus einem längeren Text von Iris Bührle über die Inszenierung von John Neumeier. Iris Bührle, die vor wenigen Jahren über die Umwandlung von literarischen Werken in Choreografie promoviert hat, ist freie Journalistin und Autorin z. B. der Tänzerbiografie Robert Tewsley:

Gut, ich bin es gewöhnt und mag es, Theater mit kritischem Blick, mit gewissen skeptischen Anregungen oder persönlichen Überlegungen zu verlassen. Das fällt mir beim Ballett schwerer. Kann Kritik und Skepsis – so gehe ich eher durch die Welt – durch Bewegungen Ausdruck finden? Ich werde es weiter erproben und der Sache näher kommen!
Weitere Links jedenfalls:
HIER ein Video mit Ausschnitten der Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“ von John Neumeier.
HIER ein Trailer zu “Ein Sommernachtstraum“ von John Neumeier
HIER ein Portrait von John Neumeier, eine schöne interessante 43-minütige Dokumentation!
HIER noch einmal der Artikel „John Neumeiers ‚Ein Sommernachtstraum‘ als Film“ der Deutschen Welle vom 22.6.2021.
HIER die Website der „Stiftung John Neumeier“.
Copyright des Beitragsbildes: Katja Lotter