Sie sind weiterhin grundverschieden – Gott sei Dank: Das Münchner Residenztheater und die Münchner Kammerspiele. An beiden Theatern habe ich kürzlich je eine Inszenierung gesehen, die beide nicht unterschiedlicher sein konnten: „Dekalog“ am Münchner Residenztheater und „Der Sprung vom Elfenbeinturm“ an den Münchner Kammerspielen. Über „Dekalog“ schreibe ich hier, über die Inszenierung „Der Sprung vom Elfenbeinturm“ in Kürze im nächsten Beitrag.
„Dekalog“ ist das bekanntere Stück von beiden. Ich erinnere mich etwa an zehn sehr eigenwillige Streamings des Schauspielhauses Zürich von „Dekalog“, Regie von Christopher Rüping – es war zu Beginn der Coronazeit -, in denen die zehn Teile des Stückes „Dekalog“ von jeweils einem Schauspieler oder einer Schauspielerin „übernommen“ wurden. HIER ist der Link zur herrlichen Archivseite des Schauspielhauses Zürich zu diesen zehn Teilen. Über diesen Link finden sich wunderbare Rückblicke! Etwas scrollen und sich die Videos ansehen!
„Der Sprung vom Elfenbeinturm“ dagegen ist – das hier kurz – ein Abend über die vergessene Autorin Gisela Elsner. Es ist kein „Stück“ von Gisela Elsner, es ist ein Rückblick auf sie und ihre Werke. Der Titel dieses Abends ist erstaunlicherweise deutschsprachig! An den Kammerspielen liest man nämlich zur Zeit fast nur englische Sprache. Auch das ist ein deutlicher Unterschied beider Häuser.
Nun zu „Dekalog“:
Es geht ja um die zehn Gebote. Um die zehn Gebote und deren Wirken oder Nichtwirken im modernen Leben. Dargestellt jeweils in einer besonderen Situation. Ursprünglich war es eine Filmreihe für das polnische Fernsehen. Die zehn Teile – bei denen man keineswegs durchgehend eine „Zuordnung“ zu einem der 10 Gebote erkennt – sind:
- Dekalog 1 – der Vater Krzysztof und sein Sohn, der im Eis einbricht
- Dekalog 2 – der todkranke Andrzej und dessen Frau, die ein Kind von einem anderen Mann erwartet, dies aber nur bekommen möchte, wenn ihr Mann stirbt
- Dekalog 3 – der Taxifahrer Janusch, der sich an Weihnachten irgendwann von seiner Familie „ausklinkt“ und seine ehemalige Geliebte Ewa trifft
- Dekalog 4 – die Schauspielstudentin Anka und der gefundene Brief ihrer Mutter, in dem erklärt wird, dass Ankas „Vater“ nicht ihr leiblicher Vater ist. Das Verhältnis des Stiefvaters zu Anka zwischen „Vater“ und „Freund“
- Dekalog 5 – der junge Strafverteidiger und der von ihm vertretene Mörder, der zu Tode verurteilt wird
- Dekalog 6 – Tomek, der Magda und ihre zahlreichen Männer lange Zeit mit einem Fernglas in deren Wohnung gegenüber beobachtet und Kontakt zu ihr aufnimmt
- Dekalog 7 – Maika und ihre Tochter, die von Maikas Mutter aufgezogen wurde, da Maika zu jung war. Maika möchte ihre Tochter wiederhaben
- Dekalog 8 – die Dolmetscherin Elzbieta und die Professorin, die es in Kriegszeiten abgelehnt hatte, Elzbieta als kleines Kind vor den Nazis zu verstecken
- Dekalog 9 – Hanka und ihr Ehemann, dem ärztlich Impotenz bescheinigt wird, und die Affäre von Hanka mit einem jungen Physikstudenten
- Dekalog 10 – zwei Brüder am Grab ihres Verstorbenen Vaters und das wertvolle Erbe seiner Briefmarkensammlung
Die Inszenierung am Residenztheater hält sich an diese vorgegebenen Ausgangssituationen. Nicht alles wird davon erzählt, aber Wesentliches. Das macht die Inszenierung teilweise fast etwas kitschig, da die Situationen in bestimmten Momenten zu deutlich, zu direkt, dargestellt werden, war mein Eindruck. Dies ist auch der Unterschied zur sehr abstrakten und verspielten Inszenierung an den Kammerspielen, über die ich als Nächstes schreiben werde!
Andererseits ist festzustellen, dass den einzelnen dargestellten Situationen ohnehin nicht unbedingt der Bezug zu jeweils einem der zehn Gebote entnommen werden kann. Man müsste sehr genau weiterdenken. Es geht vor allem auch sehr um das Verhältnis Eltern – Kinder, was fast das Hauptthema der „Episoden“ ist. Mehrere Kinder treten auch auf, siehe auch das Beitragsbild oben.
Weitere Bilder der Inszenierung:



Die Bühne wird – man sieht es auf den Fotos oben – geprägt von vier trampolinähnlichen, beweglichen Trennwänden, die immer wieder ihre Position verändern. Ansonsten sieht man – neben sehr wenigen anderen Elementen – weitgehend die freie Bühne und das große Ensemble.
Es entsteht sicherlich die Anregung, über die Zusammenhänge der geschilderten „Episoden“ zu den zehn Geboten nachzudenken. Leicht ist es nicht und es bedarf der Zeit! Schließlich sind es zehn unterschiedliche „Episoden“. Und schließlich war Dekalog ursprünglich eine Filmreihe von zehn getrennten Filmen. Die Inszenierung hilft nicht besonders dabei, alles an einem Abend zu verarbeiten, sie beschränkt sich auch nicht auf bestimmte Aspekte. So habe ich das Theater verlassen, ohne konkret Gedanken mitnehmen zu können. Kommt vor.
HIER der link zu Wikipedias Eintrag über „Dekalog“ mit interessanter Weiterverlinkung zu den zehn Einzelseiten.
HIER die Stückeseite von „Dekalog“ auf der Website des Residenztheaters mit Trailer und den weiteren Terminen.
Copyright der Beitragsbilder: Birgit Hupfeld
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