Zuletzt hatte ich im Blog über Falk Richters Buch „Disconnected“ geschrieben. HIER der Beitrag. Jetzt habe ich ein kleineres Büchlein über die Performancegruppe Gob Squad gelesen. Beide Bücher passen wegen ihrer Gegensätzlichkeit gut zusammen. Siehe unten.
Ich habe ja etwas mehr Zeit momentan, bin ja momentan aus bekannten Gründen nicht ständig im Theater. Das Büchlein über Gob Squad ist auch aus dem Programm des Alexander Verlags. HIER der link zur Buchseite im Webauftritt des Verlags.
Das Büchlein über Gob Squad erscheint beim Alexander Verlag in der noch nicht abgeschlossenen Buchreihe »Postdramatisches Theater in Portraits«, Mitherausgeber der Reihe ist übrigens Florian Malzacher, von dem ich in Kürze etwas berichten werde.
Gob Squad gehört ja zu den „alten Hasen“ des Performancetheaters. Seit über 25 Jahren gibt es die Truppe. „Dinosaurier“ des Performancetheaters wurden sie schon genannt. Aber sie sind immer wieder aktuell interessant. So etwa, wie Forced Entertainment oder einige andere Performergruppen. Siehe den link zur Auflistung von Performancegruppen im Blog rechts! Ich mag Performance eben.
Man liest im Büchlein „What are you looking at?“ (Titel einer der ersten Arbeiten von Gob Squad) über die Entstehung von Gob Squad, über die Ansätze bei ihren ersten Arbeiten, über ihr Verständnis, und man liest ein langes Interview mit den Mitgliedern von Gob Squad zu Gob Squads Ansichten und Erfahrungen zu ihren Arbeiten.
Gob Squad war in den vergangenen Jahren auch mehrfach an den Münchner Kammerspielen zu sehen. Vor fünf Jahren mit dem irgendwie schönen, weil völlig entfremdeten Abend „War and Peace“, einer „Arbeit“ zu Tolstoi’s „Krieg und Frieden“, und mit „Creation“, das auf Oskar Wilde’s „Bildnis des Dorian Gray“ basierte. Vielleicht waren sie auch noch einmal an den Kammerspielen, es fällt mir gerade nicht ein. Ansätze der genannten beiden Abende waren jedenfalls die bekannten Werke der Weltliteratur, gemacht wurde daraus aber – typisch für Gob Squad – etwas sehr Persönliches, völlig Anderes.
Falk Richter und Gob Squad verfolgen völlig unterschiedliche Konzepte. Während Falk Richter – mit teilweise ja fast aggressive Attitüde – auf den Einzelnen in der Gesellschaft blickt, ihn in das Zentrum seiner Betrachtungen stellt (Thema: Der/die Einzelne, der/die durch die Gesellschaft quasi zerstört wird), zählt für Gob Squad nur das Kollektiv, das Gemeinsame. Gemeinsam im Team und gemeinsam mit den Zuschauern, das ist deren konsequenter Ansatz. Es gibt bei Gob Squad keine Hierarchie, keine „Präsentation“ für den Zuschauer nach der Idee eines Regisseurs.
Statt „Disconnected“, wie es bei Falk Richter heißt, müsste es bei Gob Squad „Connected“ heißen. Insoweit ist das Büchlein über Gob Squad gerade im Vergleich zu Falk Richters Buch „Disconnected“ interessant zu lesen.
Gob Squad geht es dabei immer um persönliche Erfahrungen. Erfahrungen der Personen auf der Bühne und Erfahrungen im Zuschauerraum (oder sonst wo, je nachdem, wo was gebracht wird). Es geht oft um den Alltag, den jeder erlebt. Der Alltag, der gerne poetisch überhöht wird, an dem dann durch die Überhöhung Dinge auffallen. Etwa das Älterwerden in „Creation“.
Alles entsteht im Team. Die Personen auf der Bühne sind nicht Schauspieler, sie sind die Personen, die sie sind. Die Zuschauer könnten sich oftmals sagen: Das auf der Bühne könnte ich sein! Es geht nicht um die Institution „Theater“.
Das Fragile im Alltag, darum geht es. Bei Krieg und Frieden etwa die Frage: Was ist für mich Krieg und was ist für mich Frieden? Und abgesehen von diesen persönlichen Fragen des Einzelnen geht es Gob Squad immer um Interaktion. Interaktion des Teams in der Ideensammlung, in der Vorbereitung, auf der Bühne, innerhalb der Gruppe der auftretenden Personen und Interaktion mit den Zuschauenden. Es geht Gob Squad nicht um eine Botschaft, sondern um die Schaffung einer Situation, in der etwas entstehen kann.
Ein schöner Ansatz, finde ich. Schöner als der moderne Ansatz, nur auf sich selbst zu schauen und die Anderen noch dazu schlechter zu finden.
LASSE EINE ANTWORT