Bekannt ist Juli Zeh seit Jahren, hier die Rezension eines ihrer aktuelleren Werke: „Unter Leuten“. Ich hatte bisher noch kein Buch von Ihr gelesen. Ich lese derzeit noch einen zweiten Roman von ihr. Auch darüber werde ich in Kürze berichten.
Fazit vorweg:
Es geht aktuell und politisch los (Windkraftanlagen sollen in schöner Landschaft in der Nähe des Dorfes „Unterleuten“ in Brandenburg gebaut werden), man bekommt interessant und spannend geschrieben die Befindlichkeiten der Bewohner des kleinen Dörfchens mit, die sich angesichts der Planung der Windkraftanlage in der näheren Umgebung auftun. Die Beziehungsgeflechte, die Zeiten der ehemaligen DDR, das aktuelle Leben, alles hängt mit allem zusammen.
Je mehr man aber liest, umso mehr geht es um die einzelnen Schicksale und die Verstrickungen der dort lebenden Menschen, nicht mehr um das politische Thema. Das ist etwas schade, zumal man den Roman letztlich mit dem Gedanken verlässt: „Viele der geschilderten privaten Schicksale gehen letztlich doch ausgelöst durch den Plan der Windkraftanlagen desaströs den Bach hinunter“. Sehr brisant, genau so mag es sein! Wer mag schon Windräder in seiner Nähe? Andererseits brauchen wir sie ja. Davon hätte ich gerne noch mehr gelesen, aber so, wie Juli Zeh es angeht, ist es eben auf der Ebene der persönlichen Schicksale zu Ende gedacht!
Zur Autorin:
Sie ist zweifelsohne eine der extrem erfolgreichen SchriftstellerInnen der letzten Jahre. Zwei Bücher werde ich dann also von ihr gelesen haben (Futur II!): Zum Einen den Roman „Unter Leuten“, erschienen 2016, und zum Anderen ihr aktuellstes Buch, „Neujahr“, erschienen 2018, ein deutlich kürzerer Roman. Bekannt sind von ihr ja auch vor allem die Romane „Schilf“, erschienen 2007, und „Nullzeit“, erschienen 2012. Irre, was sie schon alles geschrieben hat. Der Roman „Unter Leuten“ ist deutlich umfangreicher, als der aktuelle Roman „Neujahr“. Siehe schon die Blogfotos.
Sie ist promovierte Juristin. Man liest ja derzeit, dass sie auf Vorschlag der brandenburgischen SPD-Landtagsfraktion Richterin am Brandenburger Verfassungsgericht werden soll. Sie scheint also äußerst vielseitig zu sein. So schreibt sie auch. Sie scheint Praktikerin zu sein! Nicht vergeistigt! Völlig anders als etwa Andreas Maier (siehe meinen vorherigen Blogbeitrag zur Literatur). Sie kann Situationen gut beschreiben, sehr vielfältig, nicht wiederholend, nicht einseitig, interessant, immer wieder mit verstecktem Witz, überraschenden kleinen Wendungen. Das ist ihre Gäbe, finde ich: Plötzlich findet sie wunderbare Worte für irgendwelche Begebenheiten und dann geht es weiter. Man stößt immer wieder auch etwa auf schöne Gedanken zu unserem aktuellen Leben. Und immer wieder reißt sie mit den geschilderten Situationen aktuelle Themen an.
Zum Roman:
Der Roman „Unter Leuten“ hat meines Erachtens zwei sehr unterschiedliche Teile: Im „ersten Teil“ – circa zwei Drittel des Buches – geht es fast „politisch“ zu. Aktuelles Thema eben: Die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Land. Keiner will sie haben, die Rotoren. Fast niemand, denn Investoren wären interessiert. Fast parallel blickt man auf die Konstellation West/Ost! Auch das durch die genauen Schilderungen mit schöner Prägnanz! Sehr schön wird geschildert, wie der Plan, die Windkraftanlage in der Nähe des kleinen ostdeutschen Dorfes zu errichten, das ganze Dorf in Aufruhr bringt. Wie sich so etwas entwickelt, wer was dabei denkt, welche Allianzen sich auftun, welche Lebensmodelle bestehen, welche Vermutungen angestellt werden und und und .
Im zweiten Teil des Romanes merkt man aber, dass es Juli Zeh nicht mehr darum geht, diese politisch hochkontroverse Konstellation aufzuzeigen, zu entwickeln und zu vertiefen, sondern darum, persönliche Schicksale, die sich im ersten Teil des Romans auftaten, konsequent weiter zu schildern. Der Roman bekommt einen anderen Drall: Man hat es kaum mehr mit der Windkraftanlage zu tun. Auch hier gilt zwar: Sie schildert die weiteren Situationen und Entwicklungen und Beziehungsgeflechte immer sehr gut, nah am Leben, fand ich! Und immer wieder mit Witz und interessanten Darstellungen zu unserem aktuellen Leben. Ich will nicht zu viel verraten, es wird ziemlich krass, aber glaubhaft! Aber schade: Das Thema der Windkraftanlagen in schöner Landschaft verliert man aus dem Auge!
Also:
– Man braucht Zeit.
– Man wird aber letztlich durch den Roman getrieben, weil er die gesamte Situation und die Geschichte immer weiter gut schildert!
– Auch wenn er gegen Ende hin nicht mehr die politische Brisanz des großen Themas hat. Und auch, wenn er mir persönlich etwas zu „praktisch“, zu real wurde!
HIER die Website des Verlags zum Buch mit weiteren Rezensionen etc.
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