Heute ist es ein Beitrag mit ziemlich vielen links. Manche sind wunderbar! Schwerpunkt auch: Bühnenbildner Aleksandar Denic. Tja, ich habe ihn also wieder einmal gesehen, unseren großen Faust von Johann Wolfgang von Goethe.
Im Münchener Residenztheater gibt es eine Inszenierung von Martin Kusej, die seit 2014 läuft. Am 1. November, also in der nächsten Spielzeit, wird sie zum 60. Mal gezeigt. Zuletzt war es natürlich angebracht, ihn zu zeigen, in München lief bis Ende Juli ein übertriebenes Faust Festival. Ich halte den Faust – Hype ja für fragwürdig. Unten komme ich drauf zurück. Jedenfalls empfehle ich, sich VOR dem Besuch der Inszenierung auf der umfangreichen Faust – Website des Residenztheaters in Ruhe umzusehen (HIER der Link) und dort am besten den gesamten Text der Inszenierung herunterzuladen und zu lesen (er wird komplett als PDF zur Verfügung gestellt). Der Regisseur – und derzeitige Intendant des Residenztheaters Martin Kusej (er geht zum Wiener Burgtheater) – hat nämlich Textpassagen aus Faust II und Faust I gemischt. So entstand ein neues Textgebilde. In der Aufführung kann man dem Text kaum folgen.
Über zwei Aspekte schreibe ich hier: Zum Einen sage ich etwas zum Bühnenbild. Zum Anderen bringe ich ein paar Gedanken zum Faust.
Also zum Bühnenbild:
Ein bisschen namedropping: Ich bin auf die Faust-Inszenierung von Martin Kusej auch deshalb gekommen, weil Aleksandar Denic wieder einmal das Bühnenbild gemacht hat. Aleksandar Denic hat jahrelang in der Volksbühne (und anderswo) mit Frank Castorf zusammengearbeitet. Die Bühnenbilder von Aleksandar Denic sind berüchtigt, sie haben die Arbeiten von Frank Castorf wesentlich geprägt. Sie sind sehr eigen, sind sich aber andererseits auch meist recht ähnlich, soweit ich sie kenne. Hier ein Bild von Aleksandar Denic:
© Bojana Denić
Ich habe jetzt Denics Bühnenbilder gesehen in Les Miserables (XXL-Version) von Frank Castorf am Berliner Ensemble (HIER mein Blogbeitrag), in Faust von Frank Castorf am Berliner Theatertreffen 2018 (HIER mein Blogbeitrag) uns jetzt in Faust von Martin Kusej am Residenztheater. Schade, im Rahmen der Salzburger Festspiele 2018 bringt Frank Castorf im August wiederum zusammen mit Aleksandar Denic „Hunger“ von Knut Hansum. Ich kann aber leider nicht hinfahren. HIER der link zur Seite zur Inszenierung von „Hunger“ bei den Salzburger Festspielen. Und HIER eine erste kurze Besprechung von „Hunger“ im Deutschlandfunk Kultur.
Übrigens: Auf der Website zu „Hunger“ ist eine Bildergalerie. Sehr schön! Das sieht nach einer gelungenen Inszenierung aus! Und so sieht wieder einmal das Bühnenbild von Denic in Salzburg aus:
© Salzburger Festspiele / Matthias Horn
Aber interessant und bei Denic eher ungewohnt: Andere Szenen sind topmoderner Alltag. Siehe Bildergalerie.
Das Bühnenbild im Residenztheater war ein wenig ruhiger, als von Denic gewohnt. Wieder eine Drehbühne, wieder ein zweistöckiges Gebilde darauf, wieder düstere Stimmung. Irgendwie kaputte Welt. Oben hinter hohem Maschendraht ein Kran und eine „Kampffläche“ für Boxer etc., unten verschiedene dunkle Räume, rückseitig helle Räume.
Unglaublich übrigens, was für eine Arbeit drin steckt, ein solches Bühnenbild auf das Parkett zu bringen! HIER ein eindrucksvolles Video zum Aufbau der Bühne! (Wer wenig Zeit hat – also alle: Nach 1 min 35 sec wird es im Video interessant.)
Aber es war, schien mir, ein wenig an München angepasst: Etwas ordentlicher, etwas übersichtlicher. Auf Videoleinwände wurde sogar – für mich erstmals bei Denic – verzichtet. Und teils der gern gesehene weiße leere Raum.
Meine Gedanken zum Faust:
Erste Überlegung: Ich weiß ja nicht! Da tun wir Deutschen immer so, als sei der Faust das Maß aller Dinge. Als würde dort das ganze Leben drin stecken. Ist aber ziemlich egozentrisch! Meines Erachtens ist der Faust veraltet. Auch wenn man ständig meint, er wäre immer wieder aktuell. Deswegen war für mich auch dieses wahnsinnig groß aufgezogene Faustfestival in München, das monatelang lief, fragwürdig. Es ist einfach mittlerweile anders, es geht zwar allen um Selbstentwicklung, aber nicht so einseitig, wie im Faust gebracht! Gut, manche wollen das Leben voll auskosten, etwa übrigens Benjamin von Stuckradt-Barre, siehe meine kürzlich gebrachte Besprechung von „Panikherz“ HIER. Aber da waren viele Drogen im Spiel.
Zweite Überlegung: Eigenartig, es gibt, glaube ich, Theateraufführungen, die großartig sein können, bei denen aber der Funke zum Publikum einfach nicht überspringt. Zu komplex vielleicht. So kam es mir bei der Faust-Inszenierung im Residenztheater vor. An sich war es eine – finde ich – gute Inszenierung, aber irgendwie begeistert schien mir das Publikum im ausverkauften Haus nicht zu sein. Vielleicht konnte man den Text gar nicht verarbeiten. Der Text war ja schwierig. Schon das Lesen des Faust erfordert ja höchste Konzentration.
Dritte Überlegung: Irgendwie hat mich das Schicksal von Faust nicht gepackt. Matthias Wölbern mag den Faust sehr gut gespielt haben, die Interpretation des Faust, die er spielen sollte, war aber meines Erachtens eben nicht mehr zeitgemäß. Die Versuche (auch durch das Bühnenbild), das Geschehen zeitgemäß darzustellen, waren meines Erachtens nicht wirklich modern oder cool. Das alte Thema: Der Mann, der noch einmal jung sein möchte und sich verlieben möchte. Der sich in das Leben hinein wirft. Im Pakt mit Mephisto. Für den die Zeit nicht still stehen darf. Sicher, so leben wir. Aber diese krankhafte Ichbezogenheit hat heute einfach andere Ausprägungen, Ursachen und Folgen. Feinsinniger komplexer, individueller. Es endet nicht einfach mit dem Tod einer Person. Insoweit war es inhaltlich nicht großartig.
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