Es sind mindestens vier Geschichten der griechischen Mythologie, die eng miteinander verwoben sind: Wir haben immer wieder von den Einzelteilen gehört. Thema der Inszenierung BEUTE FRAUEN KRIEG von Karin Henkel sind drei Teile davon.
ERSTE STORY: Die Opferung der Tochter Iphigenie durch Agamemnon, den griechischen Herrscher in Mykene. Er opfert sie, da er nur so Wind für seine zahlreichen Schiffe auf dem Weg nach Troja bekam.
Und die ZWEITE STORY: Der Raub der schönen Helena durch Paris. Der Anlass des trojanischen Krieges: Paris war ein Sohn des Königs von Troja, Priamos, und seiner Frau Hekabe. Bruder von Kassandra. Helena war Griechin. Sie galt als schönste Frau der Welt und war verheiratet mit dem griechischen Heerführer Menelaos.
Eine DRITTE GESCHICHTE ist dann, dass der Grieche Agamemnon nach zehnjähriger Belagerung Trojas nach Hause kam und feststellen musste, dass seine Frau Klytämnestra bereits mit einem anderen, mit dem Nebenbuhler Aigisthos, zusammen war. Beide töten Agamemnon.
Und hier beginnt die VIERTE GESCHICHTE. Die Geschichte von Elektra und Orest. Beide waren – neben Iphigenie – Kinder von Klytämnestra und Agamemnon. Sie trauern um ihren ermordeten Vater und rächen ihn. Sie töten Klytaimnestra. Alles hängt also zusammen.
Übrigens hängt ja auch die Odyssee damit zusammen. Die Irrfahrten des Odysseus auf der Heimkehr nach dem trojanischen Krieg. „Die Odyssee“ hieß ja eines der anderen Stücke des Theatertreffens 2018, siehe HIER meinen Beitrag.
In BEUTE FRAUEN KRIEG, Inszenierung von Karin Henkel am Schauspielhaus Zürich, werden die ersten drei Stories zum Thema. HIER ein link zu einem Trailer! Es geht um das Leid der Trojanerinnern, die nach dem Untergang ihrer Stadt von den Griechen verschleppt und vergewaltigt wurden. Die Trojanerinnen – etwa Kassandra – als Racheobjekte der Griechen. Zum anderen geht es um die Opferung von Iphigenie durch den Vater Agamemnon. Und es geht um die schöne Helena. Der Elektrakomplex und die Tötung Agamemnons durch seine Frau und Aigisthos kommen dagegen nicht zum Tragen. Die Inszenierung geht zurück auf „Die Troerinnen“ von John von Düffel und „Iphigenie in Aulis“ von Soeren Voima.
Gespielt wurde in den beeindruckenden riesigen Rathenauhallen, 20 Meter hoch? Am südöstlichen Rand Berlins. Abgetrennt war der Teilraum des Theaters durch riesige schwarze Tücher. Cool! Von wegen Plüschsessel oder gediegenes Theaterhaus oder ähnlich. Bierbänke und kahle Wände! Eine langgezogene Bühne, wie ein Laufsteg. Der Laufsteg wurde bald durch herabgesenkte Trennwände dreigeteilt. Erst im zweiten Teil wieder vereinheitlicht. Schon das ist eine Idee, die das Interesse auf die einzelnen Stories fokussierte. Auf jedem Teil der dreigeteilten Bühne wurde ein Teil der obigen Troja-Geschichten verhandelt. Die Zuschauer hatten Kopfhörer und konnten immer einen Teil sehen und hören. Man wechselte zweimal die Plätze, sodass man doch alles sehen konnte.
Schauspielerisch von allen – wirklich allen – großartige Leistungen! Ich würde besonders Kate Strong als Hetäre nennen, die immer wieder – auch auf Englisch – auf die Beteiligten beeindruckend einredete, hinterfragte, es in den Griff zu bekommen versuchte. Großartige Schauspielerleistungen! Nichts wirkte gekünstelt! Es läuft noch (wenige Male) am Schauspielhaus Zürich!
Das Thema von BEUTE FRAUEN KRIEG ist ja völlig zeitlos: Die „Rolle“ der Frau. Die Zeitlosigkeit kommt in der Inszenierung etwa durch Fritz Fenne (als Odysseus) zum Ausdruck, der manchmal mit modernem kabellosem Mikrofon durch die Räume geht und erzählt.
Sehr aktuell ist das Thema durch die bekannte „#me too -Debatte“.
Etwas zurück: Das Thema des Feminismus in früheren Zeiten wird ja auch gerade an den Münchner Kammerspielen aufgegriffen! August Strindbergs „Der Vater“, der sich gegen aufkommenden Feminismus sträubt. 19. Jahrhundert. HIER mein Blogbeitrag dazu!
Weit zurück: Weit zurückgehend – vier Jahrhunderte vor Chrisi Geburt! – ist die Rolle der Frau eben nach dem trojanischen Krieg revolutionär von Euripides aufgegriffen worden.
Da habe ich zwei Überlegungen:
Erste Überlegung:
Sehr beeindruckend wird das Los der trojanischen Frauen ja auch im Roman „Kassandra“ von Christa Wolf beschrieben. Absolut subjektiv und komplett aus Sicht von Kassandra, die der Grieche Agamemnon für sich beansprucht. Sie rekapituliert alles auf dem Schiff, gefesselt auf der Fahrt zu Agamemnon. Ein Muss für Literaturfreunde! Ich dachte an das Buch: Auch in BEUTE FRAUEN KRIEG wird ähnlich subjektiv das Leid der Trojanerinnen gezeigt. Aber aus der Sicht mehrerer Frauen: Hekabe, Iphigenie, Helena, Andromache (Frau des Trojaners Hector, deren Kind getötet wird).
Zweite (freche) Überlegung:
Von „Rolle der Frau“ zu reden, hat ja schon einen machohaften Anklang. Frauen leben – Behauptung! – nebenbei auch in einer anderen Welt. In einer anderen Sphäre. Das enthebt sie vom männlichen Gehabe! Das ist das Problem der Männer. Es mag damit zusammen hängen, dass Frauen Kinder bekommen und daher irgendwie näher am Leben der Welt sind. Führen Frauen Krieg? Nein! Ziehen Frauen in den Krieg? Nein. Ich glaube, Kriegsgelüste waren und sind „weltliche“ Männersache. Sich behaupten, kämpfen, der Drang des Männlichen. Männer wollen sich beweisen. Im Grunde gegenüber der Mutter? Wunderbar wird in BEUTE FRAUEN KRIEG gezeigt, wie aber die Männer dabei – bei ihren machomäßigen Entscheidungen – in Probleme geraten. Iphigenies Opferung durch Agamemnon etwa. Die Frauen konnten das Treiben der Männer nur beobachten. (Aber gab es wenigstens griechsche/römische Schriftstellerinnen? Wohl nicht einmal das!) Und das Problem war – jedenfalls früher! -, dass die siegreichen Männer die Frauen nach ihrem Belieben in ihre weltliche Welt gezogen haben. Aus Trotz, die Frau als Opfer, um dem/den Unterlegenen erst recht eins auszuwischen. Verschleppt und vergewaltigt nach Trojas Zerstörung zum Beispiel. Das Leid der Frau nach der Zerstörung Trojas, das große Thema von BEUTE FRAUEN KRIEG.
Aber eigentlich ist es auch heute noch Thema.
Siehe Jugoslawien/Serbien. Das Machogehabe der Männerwelt.
Siehe Islam. Gerade, weil es meist – vermute ich – doch die Männer sind, die den Frauen „diktieren“, sich zu verschleiern, ist es – auch wenn es religiös begründet wird – meines Erachtens doch vielleicht ein Thema der weltlichen Welt der Männer. Frauen sollen sich in der Welt der Männer verschleiern und sie können sich dem bis heute kaum widersetzen – sofern sie es wollen. Wobei: Ich finde Frauen mit Kopftuch – nicht ganz versteckt hinter der Burka – ja oftmals wahnsinnig schön!
Siehe auch #me too.
Frauen leben in zwei Welten, Männer nur in ihrer weltlichen. Das verunsichert den Mann. Macht aggressiv. Was für eine These! Ich Psychologe!
Die Zeiten haben sich insoweit geändert. Frauen wollen mehr und mehr weltlich gleichberechtigt leben. Das ist dann Feminismus. Etwa in der Berufswelt. Etwa in der Bundeswehr. Warum auch nicht! Nicht, weil die Frauen ihre sphärische Welt verändern oder den Unterschied zwischen der sphärischen Welt und der weltlichen Welt ändern oder aufheben wollen. Nein. Sondern es geht dann beim Thema Feminismus um die „Rolle“ der Frau in der weltlichen Welt. Wie gesagt: Die Überlegungen, welche „Rolle“ die Frau innehat, ist – auch wenn es sich bei der Frage vordergründg um die Frau dreht – dann mindestens auch eine Männerfrage. Feminismus ist ein Männerthema! Männer haben ein Problem! Frauen haben Männern etwas voraus, nämlich eine eigene Welt. Und die weltliche Welt den Männern zu überlassen, wäre zerstörerisch. Das wurde auch wunderbar deutlich in BEUTE FRAUEN KRIEG. Die „Rolle“ der Frau in der weltlichen Welt ist wichtig. Wirklich volle Gleichberechtigung und so weiter. Aber können die Männer „Rollen“ vergeben?
HIER noch der link zur (guten) Website des Schauspielhauses Zürich zu diesem Stück.
Copyright des Beitragsbildes: Toni Suter, Schauspielhaus Zürich
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