Der Schimmelreiter, gezeigt im Hamburger Thalia Theater, sollte mein zweites Stück auf dem Theatertreffen 2017 werden. Es wurde leider kurzfristig abgesagt, da ein Schauspieler erkrankte und nicht ersetzt werden kann. Der Regisseur: Johan Simons. Statt des Stückes wurde mit den verbleibenden Schauspielern eine Lesung des Schimmelreiter gebracht. Anschließend ein Klavierkonzert von Beethoven. Beides passte wunderbar zusammen. Schade trotzdem! Johan Simons erklärte im anschließenden Publikumsgespräch, warum der erkrankte Schauspieler in diesem Fall einfach nicht ersetzt werden konnte. Er war wohl zu bedeutend für die Aufführung.
Das Stück wird sehenswert sein – für diejenigen, die in Hamburg leben oder dort hin kommen. Der erkrankte Schauspieler wird allerdings gut sechs Wochen lang ausfallen.
Der Schimmelreiter: Thema: Wie schwer es ist, Neues zu etablieren.
In der Novelle geht es um die Lebensgeschichte von Hauke Haien. Oft sitzt Hauke bis tief in die Nacht am Deich und beobachtet die Wellen, die an den Damm schlagen. Er überlegt, wie man den Schutz vor Sturmfluten verbessern könnte, indem man die Deiche zur See hin flacher anlegt.
Als der örtliche Deichgraf Tede Volkerts einen seiner Knechte entlässt, bewirbt sich Hauke um die Stelle. Er wird angenommen. Als es darum geht, die Stelle des Deichgrafen neu zu vergeben, keimt ein Konflikt zwischen Hauke und dem Großknecht Ole auf. Traditionell kann nur Deichgraf werden, wer ausreichend Land sein Eigen nennt. Dies träfe auf Knecht Hauke nicht zu. Gegenüber dem Oberdeichgrafen, der die Stelle des örtlichen Deichgrafen zu vergeben hat, ergreift Elke – Tochter des verstorbenen Deichgrafen – das Wort und erklärt, Hauke werde durch die Hochzeit mit ihr das Land ihres Vaters bekommen und damit genügend Grundbesitz aufweisen. Hauke wird Deichgraf.
Unheimlich erscheint den Dorfbewohnern ihr Deichgraf durch sein Pferd: Einen edel aussehenden Schimmel, den er krank und verkommen einem zwielichtigen Durchreisenden abgekauft und aufgepäppelt hatte. Der Schimmel soll, darin bestätigen sich die Einwohner gegenseitig, das wiederbelebte Pferdeskelett von der verlassenen Hallig Jeverssand sein, das mit dem Kauf des Schimmels verschwunden war. Oft wird das Tier mit dem Teufel in Verbindung gebracht.
Hauke setzt die neue Deichform, die er als Kind bereits geplant hat, in die Tat um. Manche Leute sind dagegen. Doch Hauke setzt sich durch. Vor einem Teil des alten Deiches lässt er einen neuen bauen, es entsteht mehr Ackerfläche.
Tagein, tagaus beobachtet er seinen Deich, indem er ihn mit seinem Schimmel abreitet. Der neue Deich hält den Stürmen stand, doch der alte Deich, der rechts und links des neuen Kooges (Landes) weiterhin verläuft und dort die vorderste Front zur See darstellt, scheint marode und von Mäusen durchgraben. Angesichts der Beschwichtigung durch den alten Großknecht Ole Peters und der bereits maulenden Arbeiter führt Hauke an dem alten Deich keine umfassenden Baumaßnahmen durch, sondern beschränkt sich mit großen Gewissensbissen lediglich auf Flickwerk. Als Jahre später eine Jahrhundertsturmflut hereinbricht und der alte Deich zu brechen droht, will man auf Anordnung des Bevollmächtigten, Ole Peters, den von Hauke konstruierten neuen Deich durchstoßen, da jener sich damit erhofft, dass sich die Kraft des Wassers in den neuen, noch unbewohnten Koog ergießen und damit der alte Deich gerettet werde. Hauke stellt die Arbeiter kurz vor dem Durchstich zur Rede und verhindert die Vollendung dieser Arbeit, kurz darauf bricht der alte Deich endgültig. Als in jener Nacht auch Elke mitsamt ihrer gemeinsamen Tochter Wienke, die geistig behindert ist, aus Angst um Hauke in Richtung Deich hinausfährt, muss dieser mit ansehen, wie die durch den Deichbruch in den alten Koog schießenden Wassermassen Frau und Kind unter sich begraben. In seiner Verzweiflung stürzt er sich ebenso mitsamt seinem Pferd in die tosenden Wasser, die das Land überfluten, und ruft: „Herr Gott, nimm mich; verschon die andern!“
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