Ein Beitrag eher für Münchner:
Am Samstag war wieder eine: Uraufführung des Stückes „Nō Theater“ des japanischen Autors Toshiki Okada in den Münchner Kammerspielen. Ich verlinke hier zur zuerst erschienenen Besprechung auf www.nachtkritik.de, in der man auch ein paar der Einzelheiten zu der alten traditionellen japanischen Form des No Theater lesen kann.
Es geht – grob gesagt – im streng formalisierten Nō Theater darum, dass die Geister verstorbener Menschen in der aktuellen Welt noch Dinge erledigen müssen, um das Leben des Verstorbenen wirklich abschließen zu können. Der verstorbene Mensch befindet sich also noch in einem Übergang. Daher stellt in diesem Stück die Bühne sehr gut passend und beeindruckend eine U-Bahn-Station in Tokio dar, die U-Bahn ist nun einmal gerade in Japan Ort des Übergangs, jeder kommt und geht woanders hin.
Mein Eindruck zum Stück: Die Münchner Kammerspiele schaffen Wunderbares, WENN man sich darauf einlässt. Wieder einmal wurde der Zuschauer durch ein sehr besonderes Stück in einen speziellen, eigenen und dadurch wertvollen Zustand versetzt. Man kann das Theater bereichert verlassen. Allein das Erleben dieses Zustandes ist das Stück wert! Es muss nicht immer das schnell gedachte Konsumergebnis „Es war eine Klasse-Umsetzung des Klassikers xy“ am Ende stehen, um zu überzeugen!
Es wird Ruhe produziert, das Geschehen wird ungewohnt und wohltuend entschleunigt, mit einer gewissen Zartheit und Zurückhaltung – typisch japanisch? – werden schwere aktuelle Probleme der japanischen Gesellschaft angesprochen. Von den Geistern zweier Verstorbener, auf zwei unterschiedlichen U-Bahn-Stationen in Tokio. Perplex beobachtet ein junger Mann (Thomas Hauser) die Lage, wird in die Atmosphäre des Stückes hineingezogen.Wie alle Regiearbeiten Okadas ist „Nō Theater“ dabei geprägt von der Diskrepanz zwischen Bewegung und Sprache. Die Schauspieler tragen meist statisch stehend mit unbewegten Mienen ihren Text vor. „Mal hebt sich ein Fuß, mal greifen Hände in die Luft, mal beugt oder wiegt sich ein Körper sachte“, schreibt zurecht Petra Hallmayer auf http://www.nachtkritik.de. Auch dies sind Elemente des japanischen Nō Theaters.
Inhaltlich: Man wurde mit Problemen konfrontiert, die sicherlich besonders auf der japanischen Gesellschaft lasten. Warum wird es bei uns gezeigt? Nun, etwa weil viele Japaner hier leben und zu uns kommen. Oder einfach aus Interesse an der japanischen Denkweise und Gefühlslage, als immer nötiger werdender Blick über den Tellerrand. Oder auch, weil es sich lohnt zu überlegen, ob es nicht genausogut Probleme unserer Gesellschaft sind (Tenor: Das grenzenlose Treiben des Finanzwesens – „the bubble“ – und der Feminismus zerstören die Zukunft der japanischen Gesellschaft!). Oder, weil es einfach auch interessant ist zu lernen, dass man auch sehr reduziert – mit dem ruhigen Abstand der Geister – Probleme betrachten und angehen kann, nicht hektisch nach Lösungen greifen muss, die die nächsten Fehler beinhalten. Auf einen abschließenden Lösungsvorschlag kommt es angesichts dessen garnicht entscheidend an. Der Anstoß ist es! Getragen wurden die Zuschauer im Übrigen von bizarren und einzigartigen „Klängen“ des auf der Bühne sitzenden japanischen Musikers. Der Musiker, der auch auf der anschließenden Premierenfeier – zusammen mit Jelena Kulic – etwas spielte.
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