Russland, die ehemalige Sowjetunion, hat für die Menschheit zweifelsohne eine besondere Bedeutung! Der Kommunismus war als die einzige Alternative zum Kapitalismus angetreten und er hatte seinen Ursprung in Russland. Viel ist davon bekanntlich nicht geblieben, er ist krachend gescheitert.
So ging es eben nicht. Das hat viele Gründe. Ein Aspekt ist vielleicht die Tatsache, dass die Menschen im Kommunismus zu sehr in Schubladen gesteckt wurden. Arbeiterklasse, Bourgeoisie, Intelligenzija. Das funktioniert eben nicht.
Zwei Stücke aus der Vorzeit der russischen Revolution – vor 1905 – hatten jetzt Premiere am Münchner Residenztheater. Bekannte Werke: Zum einen „Sommergäste“ von Maxim Gorki und zum anderen „Drei Schwestern“ von Anton Tschechow.
Es sind Stücke, von denen man immer wieder hört, sie würden auch auf unsere heutigen Zeiten passen. Anton Tschechow war mit seinem Stück ein paar Jahre früher dran als Maxim Gorki. Das Stück von Maxim Gorki ist insoweit auch durchaus schon etwas politischer, es geht kritischer um mit der russischen Intelligenzija, den „Sommergästen“.
Über die Premiere von „Drei Schwestern“ von Anton Tschechow schreibe ich demnächst. Die Inszenierung von „Drei Schwestern“ ist ja eine Übernahme vom Theater Basel, inszeniert von Simon Stone und im vergangenen Jahr ausgewählt zum Berliner Theatertreffen.
Hier ein paar Gedanken zu Maxim Gorkis „Sommergäste“. Ich habe die Premiere am Residenztheater gesehen.
Mit «Sommergäste» stellt sich der britische Regisseur Joe Hill-Gibbins erstmals dem Münchner Publikum vor. Klares Bühnenbild, nichts auf der großen weiten Bühne außer ein paar Bierflaschen, Dosen, Kisten, müllähnlich kleinere Gegenstände und in der Mitte der Bühne ein kleines quadratisches Duschhäuschen, wie es sich gehört für einen Landsitz. Ein Scheinwerfer umkreist im Hintergrund sonnengleich langsam – am Boden allerdings – die Bühne.
Weiße Bühne und schwarzer tief dunkler Hintergrund, es erinnert ein bisschen an die ähnlichen Elemente bei „Die Verlorenen“, die auch gerade Premiere hatten. Joe Hill-Gibbins unterstreicht damit sicherlich die Zeitlosigkeit des Stückes.
Der Titel „Sommergäste“ war von Maxim Gorki nicht zufällig gewählt. „Sommergäste“ wurden damals – abfällig – diejenigen gut situierten Russen genannt, die ihr städtisches Leben – zum Beispiel in Moskau – verbrachten und ab und an auf dem Landsitz Urlaub machten. Eine Schublade eben. Auf dem Land arbeitete man aber für die Landwirtschaft. Die Urlaub machenden Vertreter der Intelligenzija waren tatenlose und nur schwadronierende „Sommergäste“.
Das Ensemble des Residenztheaters ist groß, bei „Sommergäste“ kommen 14 Ensemblemitglieder zum Einsatz. Unter anderem in der Hauptrolle der Warwara Michajlowna Brigitte Hobmeier. Wawara gilt in Maxim Gorki Drama „Sommergäste“ in gewisser Weise als Gegenstück zu den Vertretern der so tatenlosen „Sommergästen“.
Brigitte Hobmeier ging meines Erachtens in der zahlenmäßig großen Besetzung des Stückes fast unter. Schade, so kannte ich sie garnicht. Meines Erachtens hätte sie dem Stück eher entsprochen, wenn sie noch mehr im Mittelpunkt gestanden hätte. Sie betrachtet ja das Gerede und das Handeln der Sommergäste als Einzige mit Abstand und Kritik. Das aber wird nicht deutlich. Schade auch, irgendwie fehlte etwas von ihrer so beliebten und bekannten Strahlkraft. (Ganz subjektiv: Sie steckte meines Erachtens in völlig unpassender Kostümierung!)
Wie es für „Sommergäste“ passte: Es wird viel geredet, Anbandelungen werden versucht, viele Animositäten treten auf, Reden werden geschwungen, Unzufriedenheiten werden geäußert, Statements zum Status der Gesellschaft und dem Leben werden abgegeben, hohle Allgemeinplätze zum Leben hört man immer wieder, alles aber nach Maxim Gorki ohne einen durchgehenden roten Faden.
Für mich blieb dabei unklar, ob Joe Hill-Gibbins zeigen wollte, dass all das auch heute noch Geltung hat. Das Schwadronieren der Mittelschicht vor einer aufkommenden Unruhe. Könnte man sagen, wird aber nicht thematisiert.
Bei der betont „heutigen“ Szenerie – es wird Bier getrunken, ein Grill wird angezündet, die SchauspielerInnen sind modern gekleidet, modernes Leben – dachte ich mir: Der alte Textverlauf im Grunde – aber in moderner Gesellschaft – die Personen waren wiederum die Personen der alten Zeit – sie gaben fast aphorismenartige ihre Allgemeinplätze zu bestimmten Gegebenheiten ab, teils moderne Aspekte, teils überholte Aspekte – dIe unklare Mischung von alt und neu hat mich verwirrt. Etwas leer verließ ich das Theater. Aber es mag auch anders gesehen werden.
HIER die Stückeseite auf der Website des Residenztheaters.
Copyright des Beitragsbildes: Sandra Then
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