Zum Roman heißt es im Spielzeitheft weiter: „Der Roman On The Road markierte den Vorabend jenes gesellschaftlichen Aufbruchs, der ab dem Ende der 60er Jahre die Welt nachhaltig veränderte. Erleben wir nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten und angesichts des weltweiten Siegeszugs populistischer Kräfte eine historische Zäsur, die das Ende dieser Entwicklungen einläutet? Die Agenda von PolitikerInnen wie Donald Trump, Marine Le Pen oder Theresa May lässt sich kurz und knapp als der Versuch zusammenfassen, alle Errungenschaften von 1968, so kritikwürdig Teile davon auch für VertreterInnen der politischen Linken mittlerweile sein mögen, ein für allemal rückgängig zu machen.“
In der Ankündigung der Inszenierung von David Marton wiederum heißt es: „Der Regisseur David Marton, der in den vergangenen zwei Spielzeiten an den Kammerspielen ein Opernhaus gründete und darin u.a. „La Sonnambula“ und „Figaros Hochzeit“ zur Aufführung brachte, spürt mit seiner Truppe von SchauspielerInnen und MusikerInnen den Sehnsüchten einer Clique nach, die Freiräume schafft und doch gegen Wände läuft. Die Rhythmen des Bebop verweben die JazzmusikerInnen auf der Bühne mit Kerouacs eigenartig musikalischem Textfluss zu Klangflächen, die Wort und Musik verknüpfen. David Martons Musiktheater führt so in die Geschichten der GlückssucherInnen und ihrer Reise in die Zwischenräume des Lebens hinein.“
Klingt interessant. Aber ob David Marton mit dieser Inszenierung wirklich voll zufrieden ist? Man merkt als Zuschauer fast – so ging es mir jedenfalls -, wie sehr sich Marton bemühte, die Stimmung des Romans und der Beatnik-Generation mit Text und Musik einzufangen und zu zeigen. Er hat ja im Grunde ein gutes Gespür für die Kombination von Musik und Schauspiel und auch die Beatnik-Generation war der Musik nahe. Sex and Drugs and Jazz. Bewiesen hatte David Marton sein Gespür ja vor allem mit der Inszenierung von La Sonnambula, die im vergangenen Jahr fast zum Berliner Theatertreffen (die 10er – Auswahl) eingeladen worden ist.
Es gelingt aber irgendwie kaum, den Text mit der Musik zu verweben, zu zeigen, dass Text und Musik irgendwie zusammengehören, die gleiche Stimmung rüberbringen. Es wirkte für mich leider fast wie ein Kampf, Text und Musik auf einen Nenner zu bekommen. Auch wenn im Laufe des Stückes sogar mehrmals die Musik den Text übertönt. Gut, die Geschichte, die erzählt wird, ist nicht sehr aufregend, eine damals große Reise mit dem Greyhound-Bus oder als Anhalter in Amerika von Ost nach West nach Süd. Das ist das Buch. Es gibt allerdings meines Erachtens in der Inszenierung nur vereinzelt Szenen, in denen es wunderbar – dann aber wunderbar – gelingt, die Stimmung dieses damaligen Aufbruchs zu transportieren. Andere Szenen scheinen mir Fehlgriffe zu sein, sagen einfach zu wenig aus. Die wenigen so einleuchtenden Szenen etwa: Das Gespräch der beiden besten DarstellerInnen des Stückes, Julia Riedler und Thomas Schmauser, auf Gartenstühlen mit dem Rücken zum Publikum. Oder beide an den Tresen, sie bringt den letzten „applepie“, er reißt stupide permanent ein Whiskyglas vom Tresen. Ich fragte mich im Nachhinein aber: Was macht eigentlich ein Damaturg? Hier gab es zwei Dramaturgen: Christine Milz und Christoph Gurk. Hätte nicht ein/e DramaturgIn hier sagen können: „Mehr Mut, mehr Mut“, „Mehr Deutlichkeit, mehr Deutlichkeit“, „Mehr Prägnanz“, „Andere Szenen“, „Mehr Ideen“? Sofern der Regisseur auf so etwas hört, ich weiß es nicht. Aber ein Dramaturg beobachtet doch die Entwicklung einer Inszenierung, die Ideen des Regisseurs und deren Umsetzung, denke ich. Hätte nicht ein/e DramaturgIn hier merken und sagen können, dass einige Einzelheiten, die eigentlich die Stimmung des Buches auf die Bühne bringen sollten, auf der recht chaotischen, aber ideenlosen Bühne letztlich verloren gehen? Oder dass es überhaupt ungünstige Einzelheiten sind, die auf die Bühne gebracht werden? War etwa das Gezeter um den Kinderwagen aussagekräftig? Ich finde nicht. Oder: Sich auf eine Leiter zu stellen und stumm gegen die Rückwand der Bühne zu blicken, mag der damaligen Stimmung entsprechen, aber es kann auf der Bühne vielleicht doch zu wenig sein! Oder: Wenn die Truppe der Schauspieler mehrfach dem Kinderwagen folgend um die Blechhütte auf der Bühne herumgeht. Warum? Was macht da der/die DramaturgIn eigentlich?
Es fiel recht schwer, ein Gefühl für die Stimmung der Zeit des Aufbruchs zu mehr Freiheit zu entwickeln. Trotz aller Bemühungen. Ein Gefühl für die Wildheit und Ziellosigkeit der „beatnik generation“. Für das beginnende Streben gegen das Establishment. Ansätze waren – wie gesagt – da, aber es verpuffte, denke ich, leider zu schnell. Vielleicht auch, weil die ursprünglich deutlich längere Inszenierung dann doch zeitlich stark gekürzt werden musste.
Gerne hätte ich etwa die Jazzmusik des so guten Trompeters Paul Brady durch mehr Hervorhebung seiner schönen Einsätze erlebt. Gleiches gilt auch für den wunderbaren und so gekonnten rauhen Gesang von Jelena Kulic. Durch Lichteinsatz oder wie auch immer. Es hätte ja jede Menge Möglichkeiten gegeben. Man sieht es ja sehr schön etwa am derzeit auch zu sehenden Stück „Der erste fiese Typ“ nach dem Buch „The first bad man“ von Miranda July. Aber die opulente Bühnentechnik der Kammerspiele kam hier praktisch nicht zum Einsatz. David Marton mag sie, scheint mir, nicht. Auch La Sonnambula (ohnehin auf der kleineren Bühne) und Figaros Hochzeit sind ja insoweit absolut „statisch“. Beides – die Verstärkung der Trompeteneinsätze von Paul Brady und der Gesangseinsätze von Jelena Kulic – hätte dem Stück so gut getan! Hätten damit auf der anderen Seite wahrscheinlich auch den Einsätzen der Schauspieler gut getan!
Dennoch: Hingehen, der Applaus war überzeugend, vielleicht kann man es auch anders erleben!
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