Es gibt ein Lebensgefühl, das man als Erwachsener gar nicht mehr hat. Eines mit vielleicht besseren Ideen. Idealistischer wahrscheinlich. Nicht so festgeschraubt. Schade fast, dass es keine reine U 30 – Partei gibt, jetzt zur Bundestagswahl. Wäre interessant. Es ist oft auch nur gut, wenn wir – die Alten – die Jugend nicht immer in unsere strikte Welt ziehen. Bei aller Tradition etc.
Etwa das jährlich stattfindende, wohl für Insider aller Art sehr schöne Festival „Wilde Möhre“. Was und wie es ist, zeigt das Aftermovie, das ich hier bringe (unten). In der Nähe eines Ortes namens Göritz im hohen Norden Deutschlands findet es statt. Es scheint bei weitem nicht nur um Musik zu gehen, etwa wie bei „Rock am Ring“, wo schon der Titel des Festivals auf Musik hinweist. Es geht, scheint mir, für alle um ein Feeling, um Kennenlernen, Mitmachen, Initiativen, viel Ökologie, viel Musik etc. Warum „Wilde Möhre“? Sie sagen, die namensgebende Pflanze habe sie aufgrund ihrer Struktur inspiriert – besteht sie doch aus vielen kleinen Blüten, die gemeinsam ein Ganzes ergeben. Gleichzeitig symbolisiere sie die Verbundenheit zur Natur und deren Erhalt.
Auf der WEBSITE des Festivals liest man dies und mehr in der Darstellung der Philosophie des Festivals:
Warum wir das Wilde Möhre Festival veranstalten
Vor vielen Jahren kamen wir zum Studieren nach Berlin und fragten uns, was wir mit der frisch gewonnenen Freiheit anfangen und wie wir leben sollten – denn Reflexion über das Leben und die Suche nach einem Sinn waren ständige Begleiter: Wie lebt man ein zufriedenes Leben? Was für ein Mensch möchte ich sein? Wie kann ich meinen Mitmenschen etwas zurück geben? Was bedeutet Freundschaft? Nach welchen Werten sollte man streben?
Beeindruckt von der altruistischen Haltung der Open Air-Veranstalter in Berlin entstand aus dieser Sinnsuche heraus die Idee, selbst Musik unter freiem Himmel zu zelebrieren. Dabei begeisterte uns vor Allem die Vorstellung, ein gemeinsames Erlebnis für Jeden zu erschaffen – egal welchen Alters, Geschlechts oder Hautfarbe, kostenlos und für jeden zugänglich.
Mit wachsender Beliebtheit wurden die Partys schnell größer und im Winter machten wir in vielen Berliner Clubs weiter. Doch wir wollten nicht einfach nur Party und Exzess, sondern gleichzeitig etwas Sinnstiftendes anbieten, etwas, das uns und Andere zum Nachdenken anregte. Angefangen mit einer ausgefallenen Veranstaltungsreihe im Brunnen 70 brachten wir also Party mit kulturellem Angebot zusammen, um dem destruktiven Charakter des Feierns vorzubeugen: Theater, Poetry Slams, Filme und Workshops gehören dabei für uns zu den notwendigen Inspirationsquellen. Über mehrere Jahre versuchten wir, den Exzess mit Denkanstößen zu verbinden und fanden an vielen Orten tolle Erlebnisse – doch richtig zufrieden waren wir nie. Denn während das Feiern für uns lange Zeit eine sinnstiftende und lehrreiche Entwicklung bedeutete, waren wir gleichzeitig frustriert über die Schattenseiten des Berliner Nachtlebens. Langsam aber stetig keimte also in uns der Wunsch, einen Ort zu schaffen, an dem wir sämtliche unserer Ideale verwirklichen konnten. Wir wollten einen Ort im Herzen der Natur schaffen, an dem sich jeder abseits von den unwirklichen Ansprüchen unserer Gesellschaft individuell selbst finden kann, an dem er Ausgelassenheit mit Entspannung und Inspiration verknüpfen kann; einen Ort, an dem die Liebe jeden Besucher vom richtigen Handeln überzeugt und der als Blaupause für ein gutes Miteinander verstanden werden kann.
Gleich nach der ersten Veranstaltung mussten wir uns eingestehen, dass ein solcher Ort und ein solches Unterfangen nicht ohne den permanenten Einsatz eines größeren Teams erhalten werden kann. Der Grundstein war gelegt, als Gruppe nicht mehr nur Utopien am Wochenende zu erschaffen, sondern eine langfristige, nachhaltige und wertebasierte Unternehmung aufzubauen. Die Idee der Wilden Möhre war geboren, wobei uns die namensgebende Pflanze aufgrund ihrer Struktur inspiriert hat – besteht sie doch aus vielen kleinen Blüten, die gemeinsam ein Ganzes ergeben. Gleichzeitig symbolisiert sie die Verbundenheit zur Natur und deren Erhalt. Die Gruppe um die Wilde Möhre versteht sich als sich stetig weiterentwickelnde Institution, die sich ihrer eigenen Fehler bewusst ist. Unser Anspruch ist ein ganzheitliches, faires und klimafreundlich Festival, bei dem die Bedürfnisse aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt werden: Gäste, Künstler, Betreiber, Anwohner und nicht zuletzt die Umwelt. Diesem Anspruch, den wir als „möhrekonformes Handeln“ zusammenfassen, fühlen wir uns verpflichtet und nähern uns Jahr für Jahr mit großer Anstrengung diesem Ideal. Dabei sind wir keine geschlossene Gruppe, sondern eine sich stetig erweiternde Lebensidee, die über die Möhre hinweg Kollektive und Einzelkämpfer unterstützt.
Es gibt auch dieses Jahr wieder ein schönes Aftermovie zum Festival 2017. Anschauen, anhören! Von der jungen Produktionsfirma locolor. Find ich gut.